Der Landtag berät bald über das neue Gleichberechtigungsgesetz: Künftig sollen alle Landes- und Kommunalbehörden zur strikten Frauenförderung verpflichtet werden. Überall dort, wo der weibliche Anteil weniger als 50 Prozent ausmacht, sollen bei Stellenneubesetzungen Frauen den Vorzug erhalten – wenn sie gleich qualifiziert sind wie ihre männliche Mitbewerber. Sozial- und Frauenministerin Cornelia Rundt (SPD) äußert sich dazu im Interview mit Klaus Wallbaum.

Rundblick: Frau Rundt, wir haben doch schon ein Gleichberechtigungsgesetz, das als Ziel die Frauenförderung festschreibt. Warum muss diese Vorschrift verschärft werden?

Rundt: Das bisherige Gesetz ist zu beliebig. Wir wollen ein richtiges Instrument zur Frauenförderung daraus machen und verbindliche Regeln vorgeben. Das Ziel muss sein, dass in jedem Amt die weiblichen Bewerberinnen bei gleicher Qualifikation so lange gefördert werden, bis sie einen Anteil von 50 Prozent stellen.

„Bereiche, in denen nicht so viele weibliche Bewerberinnen zu erwarten sind, wie die Forstwirtschaft“: Sozialministerin Cornelia Rundt – Foto: Nds. Sozialministerium

Rundblick: Wie sieht die Wirklichkeit aus?

Rundt: Gegenwärtig erleben wir noch in vielen Behörden die typischen Absprachen unter den Gruppen von Männern. Man verspricht sich gegenseitig den Aufstieg – und weil oft auf Ausschreibungen verzichtet wird, können sich solche Seilschaften dann auch durchsetzen.

Rundblick: Aber nun sagen beispielsweise die Vertreter der Kommunen, dass das neue Gesetz die langfristig gehegten und austarierten Personalentwicklungsplanungen zunichte machen. Damit werde jedem Bürgermeister die Möglichkeit aus der Hand geschlagen, seinen Mitarbeitern langfristige Karrierechancen zu eröffnen und sie so an die Verwaltung zu binden. Das störe, so meinen die Kommunen, das vertrauensvolle Miteinander in den Behörden…

Rundt: Das ist ja genau der Grund, warum wir das Gesetz machen wollen. Natürlich gibt es solche Personalentwicklungsplanungen. Tatsache ist doch aber, dass Frauen darin sehr oft nicht vorgekommen sind, dass man sie nicht einbezogen hat. Mit dem neuen Gesetz zwingen wir die Verwaltungen dazu, bei Stellenneubesetzungen auszuschreiben – und sich für Bewerber, vor allem weibliche Bewerberinnen von außen zu öffnen. Das kann sich nur zum Vorteil für die Behörden auswirken. Tatsache ist aber auch: Wenn Frauen bisher schon gut genug bei den Personalplanungen der Behörden berücksichtigt worden wären, bräuchten wir das neue Gesetz nicht.

Rundblick: Das heißt in der Praxis: Es wird viel mehr Ausschreibungen geben müssen. Die Kommunen klagen, damit seien hohe Mehrkosten verbunden.

Rundt: Die meisten Ausschreibungen laufen heute über das Internet. Die Kosten halten sich in Grenzen. Außerdem darf ich daran erinnern, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt verändert hat: Die Behörden werden sich sowieso stärker als früher bemühen müssen um geeignete Kräfte von außen – auch deshalb, weil das Nachwuchsreservoir in den Behörden oft nicht mehr so groß ist.

Rundblick: Haben Sie denn mal geprüft, ob das beschriebene Problem der Benachteiligung von Frauen tatsächlich so groß ist?

Rundt: Ja, das haben wir festgestellt. Je höher die Position im öffentlichen Dienst, die besetzt werden soll, desto weniger kommen Frauen zum Zuge. Wir merken das schon bei den Beurteilungen, die wir verglichen haben. Frauen haben, im Vergleich zu Männern, oft die schlechteren Benotungen erhalten. Übrigens gilt das auch für Teilzeitbeschäftigte, die hier gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt werden. Uns ist wichtig, dass wir die Personalsachbearbeiter schulen und ihnen deutlich machen, dass eine Diskriminierung von Frauen nicht akzeptiert werden kann. Die Beurteilungen in den Behörden müssen für die Beschäftigten transparenter werden.

Rundblick: Das klingt alles sehr gut, aber in Nordrhein-Westfalen ist ein Gesetz zur Frauenförderung gerade gerichtlich gestoppt worden. Fürchten Sie so etwas nicht auch in Niedersachsen?

Rundt: Nein, denn das Kollegium in Düsseldorf hat einen anderen Weg beim Vergleich der Qualifikationen von Männern und Frauen gewählt. Wir haben uns bewusst entschieden, am Prinzip der Bestenauslese festzuhalten: Bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung soll die Frau Vorrang bekommen in den Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert ist. Aber es bleibt in unserem Vorschlag dabei, dass der oder die bessere den Vorrang hat.

Rundblick: Was ist eigentlich mit den Führungsebenen der Ministerien? Dort sind, von Ausnahmen wie dem von Ihnen geführten Sozialministerium abgesehen, die Männer klar in der Überzahl. Bleibt das auch künftig so?

Rundt: Das wird sich mit dem neuen Gesetz auch ändern, weil die Ausschreibungen verbindlich sein werden. Klar ist allerdings auch, dass es Bereiche geben wird – ich nenne mal die Forstwirtschaft – in denen nicht so viele weibliche Bewerberinnen zu erwarten sind. Insgesamt gilt allerdings: Der Frauenanteil im öffentlichen Dienst ist schon sehr hoch, und es wird sicher für führende Positionen auch viele weibliche Interessentinnen  geben. Wenn wir die Stelle eines Referenten im Ministerium ausschreiben, erhalten wir im Schnitt bis zu 40 Bewerbungen. Das sind gute Bedingungen.