Wieviel Pilawa braucht die ARD?
Von Martin Brüning
Pünktlich zum bevorstehenden Vorschlag zur Rundfunkgebühr der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ (KEF) wird die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder schärfer. Von „grün-roter Umerziehung“ und einem eher „hermetischen Wahrnehmungskorridor“ ist in Printmedien zu lesen, die angesichts der Veränderungen in den Medien selbst längst ein Konkurrent der Öffentlich-Rechtlichen geworden und damit kein unabhängiger Mittler von Informationen mehr sind.
Das missratene Satirelied eines WDR-Kinderchors wird gleich zum „Omagate“, und der WDR soll einem Zeitungsbericht zufolge schon eine PR-Agentur beauftragt haben, den Sender bei der Krisenkommunikation rund um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu unterstützen. Eine Erhöhung von 86 Cent, die zum 1. Januar 2021 gültig würde, wird die KEF im Februar vorschlagen. Der Rundfunkbeitrag würde dann bei 18,36 Euro liegen. Das letzte Wort haben allerdings die Ministerpräsidenten.
Es wäre gut, wenn man die Diskussion um Beiträge und Reformen unaufgeregt führen könnte. Die Debatten sind teilweise bar jeder Vernunft.
Der SPD-Medienpolitiker Alexander Saipa, Abgeordneter im niedersächsischen Landtag, wünscht sich etwas, was in der oftmals lauten Debatte um ARD, ZDF und Deutschlandradio nur noch selten zu bekommen ist. „Es wäre gut, wenn man die Diskussion um Beiträge und Reformen unaufgeregt führen könnte. Die Debatten sind teilweise bar jeder Vernunft“, stellt Saipa im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick fest. Wichtig sei, dass der Beitrag stabil bleibe, was weder für noch gegen den Vorschlag der KEF sprechen soll. Saipa will sich den Vorschlag erst ganz genau ansehen, bevor er die Zahl bewertet.
Der SPD-Politiker sieht durchaus Reformbedarf bei den Öffentlich-Rechtlichen, natürlich könne man die gewachsene Zahl der öffentlich-rechtlichen Sender ins Auge fassen. Am Grundauftrag solle dabei aber nicht gerüttelt werden, und das bedeutet für Saipa, dass auch Unterhaltung weiter zum Programmangebot gehören muss. Vom Vorschlag der Bundesvorsitzenden der Jungen Liberalen, Ria Schröder, das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen auf Nachrichten und Bildung zu verengen, sozusagen Politik statt Pilawa, hält Saipa nichts. „Man sollte die Debatte nicht darauf verengen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht auch weiterhin eine gesunde Mischung aus Unterhaltung, Kultur, Sport und Information“, meint Saipa.
Kommunikationsprofessor: Nicht Journalismus und Unterhaltung gegeneinander ausspielen!
Auch Professor Helmut Scherer, Kommunikationswissenschaftler an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH), warnt davor, Journalismus und Unterhaltung gegeneinander auszuspielen. „Gäbe es nur noch Informationssendungen bei den Öffentlich-Rechtlichen, würden deren Reichweiten deutlich sinken. Schließlich füllen wir in unserem Tagesablauf deutlich größere Zeitfenster mit Unterhaltung. Würde sie bei ARD und ZDF abgeschafft, zahlten wir viel für ein Programm, das nur wenige in Anspruch nähmen“, meint Scherer.
Wenn man kein Geld für Sendungen mit Jörg Pilawa ausgibt, wird es heißen, es sei nur ein Programm für eine kleine Elite. Werden dagegen Unterhaltungssendungen mit den Beiträgen finanziert, stehen die Sender auch in der Kritik.
ARD und ZDF sieht er in der Debatte in einem doppelten Dilemma. „Wenn man kein Geld für Sendungen mit Jörg Pilawa ausgibt, wird es heißen, es sei nur ein Programm für eine kleine Elite. Werden dagegen Unterhaltungssendungen mit den Beiträgen finanziert, stehen die Sender auch in der Kritik.“ Für Scherer steht fest, dass es bei den Öffentlich-Rechtlichen auch weiterhin hochwertige Unterhaltung und Information geben muss. „Das wäre auch eine proaktive Politik, die öffentlich-rechtlichen Sender genau an dieser Stelle zu stärken. Denn auf den anderen Feldern der Medien geht dem Staat die Kontrolle immer stärker verloren. Die Verbots- und Auflagenkultur der Medienpolitik ist hier an ihrem Ende angekommen.“
FDP-Chef Birkner vermisst meinungsstarke Ministerpräsidenten
Für Stefan Birkner, Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag, wird auch eine weitere Kultur in Bezug auf die Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr gepflegt: eine Diskussionskultur mit inhaltlichen Argumenten auf der Ebene der Ministerpräsidenten. „Heute hat die Diskussion in den Staatskanzleien eher administrativen Charakter, es gibt nicht mehr wie einst starke Player, die die Debatte voranbringen“, sagt Birkner dem Rundblick. Man wolle keine Führung mehr übernehmen, das gelte auch für den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil.
Auch er drücke sich um eine klare Formulierung zum Programmauftrag herum. Der Debatte tut die Lücke, die die Ministerpräsidenten hier aufmachen, Birkner zufolge nicht gut. „Erst dadurch bekommen Debatten um das ‚Umweltsau‘-Lied im WDR eine ungeahnte Dynamik.“ CDU und SPD hätten sich in der Medienpolitik eingerichtet und wollten substanziell nichts mehr anpacken. Dabei seien Reformen dringend nötig. Birkner würde zwar nicht unbedingt soweit gehen wie die Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen und die Unterhaltung vollständig aus dem Programm verbannen.
Jetzt geht es wieder zuerst ums Geld und erst dann um Aufgaben und Struktur. Dabei wäre es genau andersherum richtig.
Über einen geringeren Anteil an Unterhaltung könne man schon sprechen, sagt der FDP-Politiker. Er plädiert aber für ein anderes Austarieren, durch das keine großen Budgets mehr in „Mega-Unterhaltung“ fließen. Enttäuscht ist Birkner teilweise nicht nur über das Niveau der Diskussion, sondern auch über den Ablauf. „Es läuft wieder einmal genau falsch herum. Jetzt geht es wieder zuerst ums Geld und erst dann um Aufgaben und Struktur. Dabei wäre es genau andersherum richtig.“
Für eine Debatte um Inhalte wird nach der Vorstellung des KEF-Vorschlags im Februar aber voraussichtlich wieder einmal die Zeit knapp. Dann wird es auf Länderebene erst einmal lange vor allem um 86 Cent gehen. Auch wenn es mit der Einstimmigkeit im Bundesrat immer schwieriger wird, gibt es zumindest eine Chance, dass die Erhöhung auf dann 18,36 Euro die Zustimmung aller Länder findet. Aus Sachsen ist zu hören, mit einer 18 vorne könnte die Erhöhung klappen. Das kleinste Karo der Medienpolitik ist derzeit beim Kamingespräch der Ministerpräsidenten zu finden.