Im niedersächsischen Wirtschaftsministerium hat es offenbar einen weiteren Fall einer merkwürdigen, möglicherweise sogar rechtlich zweifelhaften Auftragsvergabe gegeben. Das geht aus Unterlagen hervor, die dem Politikjournal Rundblick vorliegen. Es geht um den Aufbau einer Niedersachsen-Repräsentanz in der US-Metropole Chicago. Für die Modellphase wurde ein Unternehmen unter Vertrag genommen, das jetzt bei der Ausschreibung für den Anschlussauftrag vermutlich besonders gute Startvoraussetzungen hat. Die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums hat dazu erklärt, das Vorgehen des Ministeriums sei „rechtlich vollkommen unbedenklich“. Während Jörg Bode (FDP) von einer „fragwürdigen“ Auftragsvergabe sprach, erwiderte SPD-Fraktionschefin Johanne Modder: „Herr Bode erweckt wider besseren Wissens den Eindruck, hier gebe es Ungereimtheiten.“ Die Vorwürfe seien „konstruiert“.

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Der Auftrag für die Gründung einer Niedersachsen-Repräsentanz in Chicago wurde im September 2016 freihändig vergeben – und zwar an die „Hannover Fairs USA“, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Messe AG. Das Wirtschaftsministerium benennt die Auftragssumme mit 200.000 US-Dollar, als umgerechnet 181.000 Euro. Dafür ist zwar keine Ausschreibung nötig, vor der Vergabe sollen aber mindestens drei Angebote eingeholt werden. Offen bleibt bisher, welche anderen möglichen Bewerber einbezogen, geprüft und aus welchen Gründen verworfen wurden. Vorgesehen war zunächst ein „Modellprojekt“ für ein Jahr, das Ende August 2017 ausläuft. Im März 2017 eröffnete Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) die Repräsentanz, am 10. Mai wurde die europaweite Ausschreibung für den zweiten Schritt gestartet – nämlich den Betrieb der Repräsentanz für vier Jahre, der Auftragswert ist 800.000 Euro. Diese Ausschreibung wirft nun einige Fragen auf. So will die Opposition aus CDU und FDP von der Landesregierung wissen, ob es eine Auswertung des Modellprojektes gegeben hätte, da dies doch die Voraussetzung für eine Verstetigung der Repräsentanz sein müsste.

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Die Kernfrage ist nun, inwieweit der Auftrag für die Modellphase „Hannover Fairs USA“ womöglich einen ungerechtfertigten Startvorteil in der Ausschreibung verschafft hat. So soll der Geschäftsführer der Repräsentanz seinen Wohnsitz in Chicago haben, der Auftragnehmer soll zudem eine Niederlassung in Niedersachsen haben – beides trifft für „Hannover Fairs USA“ zu. Ein Makel an der Ausschreibung könnte auch darin bestehen, dass dort gar nicht näher auf den Probebetrieb eingegangen wird. Der FDP-Abgeordnete Bode sieht Parallelen zum Fall „Neoskop“, der Auftragsvergabe für die Internetpräsenz Niedersachsens, über den Wirtschafts-Staatssekretärin Daniela Behrens gestolpert war: „Möglich ist, dass das Vergabereferat im Ministerium von den näheren Umständen der Ausschreibung gar nichts wusste und zu spät einbezogen wurde. Wir werden dazu einen Fragenkatalog formulieren. Sollten die Antworten unzureichend bleiben, muss sich der Untersuchungsausschuss auch mit diesem Fall befassen.“ Nach Bodes Worten muss die Regierung prüfen, ob die bis 15. Juni laufende Ausschreibung abgebrochen wird, „damit mögliche Schadensersatzansprüche vermieden werden“.

Der CDU-Politiker Uwe Schünemann sagte, die Ausschreibung sei gezielt auf die vorher ausgesuchte Firma zugeschnitten worden. Dies habe mit einem fairen Wettbewerb nichts zu tun. Der Eindruck verstärke sich, dass Lies die strengen Vergaberegeln in seinem Haus bewusst umgehe.