Wie halten wir es mit populistischen Sprüchen? Politiker im Landtag reagieren unterschiedlich
Die „aktuelle Stunde“ soll in jeder Landtagssitzung Gelegenheit bieten, über tagespolitische Fragen zu debattieren. Manchmal werden diese Fragen auch grundsätzlicher, so wie gestern im Landtag. Alles kreiste um die Frage, wie die Politiker mit Populisten von rechts oder von links umgehen sollen. Dabei wurden von verschiedenen Rednern höchst unterschiedliche Herangehensweisen präsentiert.
Zum Auftakt hatte die AfD ein Thema angemeldet: „Chemnitz – Endkampf um die Demokratie?“ Im Vorfeld hatten einige Politiker der anderen Parteien beklagt, die AfD verändere hier das Wort „Endsieg“ und zeige eine auffällige Nähe zum Vokabular des Nationalsozialismus. „In der Demokratie gibt es keinen Endkampf, sondern den dauernden Streit um den richtigen Weg, der nie endgültig entschieden werden kann“, sagte Helge Limburg (Grüne). Der AfD-Fraktionsgeschäftsführer Klaus Wichmann offenbarte dann aber in seiner Rede, dass er den Titel ganz anders interpretiert, durchaus ironisch: Es gehe um die mediale Darstellung der Demonstrationen in Chemnitz, die dort nach der Ermordung eines Mannes stattfanden und an denen sich auch AfD und Pegida beteiligt hatten. Zeitungen und Fernsehsender hätten hinterher den Streit über das Geschehen in Chemnitz zum Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur hochstilisiert, zur Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse – zu einer Art Armageddon, der biblischen Entscheidungsschlacht in der Offenbarung des Johannes. Wichmann grenzte sich ab von dieser medialen Darstellung, warnte vor sprachlichen Übertreibungen und distanzierte sich ausdrücklich von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der das „Konzert gegen rechts“ der Gruppe „Feine Sahne Fischfilet“ gelobt hatte – obwohl diese Gruppe früher Lieder mit menschenverachtenden und widerwärtigen Texten gesungen hatte.
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Zunächst reagierte die SPD auf Wichmann. Ihr Innenpolitiker Ulrich Watermann sagte, in der Demokratie habe man vor allen Gruppierungen Respekt, nur nicht vor den Verfassungsfeinden, diese müssten von der Justiz verfolgt werden. Er warnte vor dem Spiel mit Begriffen und meinte damit Wichmanns Wort vom „Endkampf“. Limburg von den Grünen meinte, zur AfD gewandt: „Hier im Landtag sitzen nicht die schlimmsten Demagogen, nur die Halbschlimmen. Dann soll alles in Ordnung sein? Nein, tatsächlich wollen Sie auch hier in Hannover den Diskurs nach rechts verschieben.“ Innenminister Boris Pistorius vermied es strikt, auf Wichmanns Rede oder die Positionen der AfD einzugehen. Er sagte „Wehret den Anfängen“ und mahnte, man dürfe nicht den Fehler von 1933 erneut begehen, sich zu spät von rechtsextremen Strömungen distanziert zu haben. Dabei beging Pistorius ebenso wie vorher Watermann den Fauxpas, den „Trauermarsch“ der AfD in Chemnitz als „Todesmarsch“ zu bezeichnen – wobei dieser Begriff durch die Todesmärsche von KZ-Häftlingen, die von SS-Aufsehern in den Tod getrieben wurden, historisch vorbelastet ist.
Der CDU-Politiker Jens Nacke und der FDP-Abgeordnete Stefan Birkner setzten sich auf andere Weise mit der AfD auseinander, sie versuchten, den Kern des Selbstverständnisses der Rechtspopulisten zu hinterfragen. Nacke sagte, er sei seit 15 Jahren im Landtag, schätze den Parlamentarismus und habe miterlebt, wie Regierungen abgewählt wurden und unter dem Machtverlust gelitten hätten. Der große Unterschied zum totalitären System sei die Stärke der Opposition. Was ihn an Populisten wie der AfD und der Linkspartei störe, so der CDU-Mann, sei deren „Verweigerung von politischen Alternativen“: „Es reicht eben nicht aus, die Probleme zu beschreiben, man muss auch eigene Ideen zu deren Lösung entwickeln.“ Der FDP-Mann Birkner meinte, die AfD wolle im Kern eine andere Staatsform, nämlich die Unterordnung von Grundrechten unter einen allgemeinen, sich wandelnden Volkswillen. So habe sie es jüngst in einer Klageschrift für den Staatsgerichtshof formuliert (der Rundblick berichtete darüber).
Der Vorwurf einer populistischen Vereinfachung und Falschdarstellung wurde in der „aktuellen Stunde“ noch einmal vorgetragen – aber nicht gegen die AfD, sondern gegen Teile der Grünen gewandt. Karsten Becker (SPD) beklagte sich, Funktionäre der Grünen hätten bei der Demonstration gegen das geplante Polizeigesetz in Hannover ein Transparent mit der Aufschrift „Polizeistaat“ getragen – dabei zeichne sich ein Polizeistaat durch Willkür der Exekutive und Fehlen der Gewaltenteilung aus. „Über das Thema sollte sachlicher diskutiert werden“, forderte Sebastian Lechner (CDU). Innenminister Pistorius meinte, er wundere sich sehr über die Haltung der Grünen – zumal große Teile des jetzt vorgelegten Gesetzentwurfes schon von der rot-grünen Vorgängerregierung geplant gewesen seien. „Das Sein ändert eben das Bewusstsein.“