Wie die Forstministerin versucht, dem Wald neues Leben einzuhauchen
Von Niklas Kleinwächter
Es sieht nicht gut aus in Niedersachsens Wäldern. Stürme, Trockenheit und Schädlinge haben ihre Spuren hinterlassen. Besonders im Süden hat sich das Landschaftsbild deutlich verändert. Braune Baumkronen, vertrocknete Bäume und große Lücken prägen nun die früher noch grüne Kulisse. Allein in diesem Jahr seien 2 Millionen Kubikmeter Schadholz und rund 10.000 Hektar Freiflächen entstanden, erklärte das Landesforstministerium am Montag.
Niedersachsens Agrar- und Forstministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) hatte deshalb zum Waldgipfel in ihr Ministerium geladen. 21 Fachverbände und Organisationen, die im sogenannten Waldbeirat vertreten sind, sollten gemeinsam Lösungen erarbeiten, wie der Wald fit gemacht werden kann für die nächsten hundert Jahre. Es war zunächst eine Bestandsaufnahme, erklärte die Ministerin, doch die Zeit drängt. „Es ist deutlich Fünf nach Zwölf“, klagte etwa Norbert Leben, Präsident des Waldbesitzerverbands Niedersachsen. Er vertritt die knapp 60.000 Privatwaldbesitzer, die zusammengerechnet mehr als die Hälfte der gesamten Waldfläche Niedersachsens bewirtschaften. Auch die Landesforsten Niedersachsen, die rund ein Drittel des Waldes bewirtschaften und damit der größte Waldbesitzer Niedersachsens sind, stoßen an ihre Grenzen. Das öffentliche Unternehmen sei seit Januar 2018 im Krisenmodus, erklärte Landesforsten-Sprecher Mathias Aßmann auf Nachfrage des Politikjournals Rundblick.
Niedersachsens Wald im Dauerstress
Wie konnte es dazu kommen? Niedersachsens Wald steht seit Ende 2017 unter Dauerstress. Zuerst hatten starke Regenfälle das Erdreich aufgeweicht. Als im Januar 2018 dann der Orkan Friederike über Norddeutschland hinweg zog, fehlte den Bäumen der Halt. Rund 1,6 Millionen Kubikmeter Sturmholz hatten die Niedersächsischen Landesforsten damals aufzuarbeiten, die Privatwaldbesitzer beklagten noch einmal dieselbe Menge.
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Danach ging das Extremwetter weiter: Auf Regen und Sturm folgte eine enorm lange Trockenperiode. Vom Frühjahr bis zum Herbst fiel deutlich zu wenig Regen. Das schwächte die Bäume, vor allem die Fichten, die sich dann nicht mehr so gut mit ihrem Baumharz gegen Schädlinge wie den Borkenkäfer schützen konnten. Bis zum Jahresende beklagten die Landesforsten 800.000 Kubikmeter Käferholz, die Privatwaldbesitzer zählen bislang rund 400.000 Kubikmeter. In diesem Jahr sieht es nicht besser aus, denn der Borkenkäfer ist weiter auf dem Vormarsch. Die Pläne zur Bekämpfung des Baumschädlings waren nicht so erfolgreich, wie man gehofft hatte. Dabei hatte das Land viel Geld ausgegeben, etwa für Lockstoffe und Fallen oder um Waldläufer auszubilden, die mithilfe einer eigens entwickelten App befallene Bäume schnell melden sollten. Die Landesforsten erwarten allerdings, dass bis zum Jahresende mehr als eine Million Kubikmeter Holz wegen Schädlingsbefalls gefällt worden sein wird. Derweil leiden nicht mehr nur Fichten, sondern auch Kiefern, Buchen, Eichen und neuerdings auch der Ahorn wegen der Trockenheit und verschiedener Schädlinge.
Der Zugang zur Förderung muss einfach werden. Das darf nicht an der Bürokratie scheitern.
Die Folgen sind katastrophal für alle, die den Wald bewirtschaften. Im Juni schlugen die Landesforsten Alarm, denn im vergangenen Jahr konnten sie erstmals keine Gewinne mehr abführen. Der Jahresabschluss für 2018 wies ein Minus von 5,9 Millionen Euro aus. Der massive Holzeinschlag hatte den Markt überschwemmt, die Preise sanken um bis zu 50 Prozent. Hinzu kamen erhebliche Mehrausgaben für die Beseitigung des Sturm- und Käferholzes.
Kleinwaldbesitzer sind besonders betroffen
Besonders stark trifft es aber die Kleinwaldbesitzer mit nur zwei bis drei Hektar Forst. Darunter sind viele, für die ihre paar Hektar Fichtenwald einmal ein Beitrag zur Altersvorsorge sein sollten. Diese Kleinwaldbesitzer will Forstministerin Otte-Kinast nun nicht allein lassen, sagte sie am Montag nach dem Waldgipfel. „Der Zugang zur Förderung muss einfach werden. Das darf nicht an der Bürokratie scheitern.“ Ihr Ministerium arbeite deshalb gerade an einem Vorschlag, wie die EU-Forststrategie an dieser Stelle überarbeitet werden kann.
In den nächsten Jahren wird es nun darum gehen, die frei gewordenen Flächen wieder aufzuforsten, also neue Bäume zu pflanzen. Die Landesforsten rechnen aktuell mit rund 10.000 Hektar, die Privatwaldbesitzer kalkulieren mit noch einmal 5000 Hektar, die wieder bewaldet werden müssen. Dabei gehe es nicht nur darum, die Wirtschaftlichkeit wiederherzustellen, sagt Landesforsten-Sprecher Aßmann. Intakte Wälder sind auch im Kampf gegen den Klimawandel entscheidend, denn in den Bäumen, im Rohstoff Holz und in den Waldböden kann viel Kohlenstoff gespeichert werden.
Doch welche Bäume sind geeignet für die Zukunft? Otte-Kinast betonte am Montag, dass man den Wald hier nicht sich selbst überlassen dürfe. Der gezielte Waldumbau hin zu widerstandsfähigeren Mischwäldern finde schon seit gut 30 Jahren statt. Doch anders als die Landwirtschaft plane die Forstwirtschaft nicht von Jahr zu Jahr, sondern in Jahrhunderten. Deshalb sei es wichtig, hier wissenschaftliche Erkenntnisse zu beachten. Schließlich werden jetzt die Weichen für die nächsten hundert Jahre gestellt.
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