Es hätte eine Sternstunde werden können, alle Voraussetzungen dafür waren erfüllt: Als der Landtag gestern abschließend über die Frage debattierte, welcher neue Feiertag eingeführt werden soll, waren die Zuschauerränge dicht besetzt, die Pressetribüne ebenfalls. Dieses Thema hat in den vergangenen Monaten eine eigene Dynamik und Brisanz bekommen – es wurde in den zurückliegenden Wochen weit emotionaler darüber gestritten als in vielen anderen Bundesländern, die auch über eine solche Frage zu befinden hatten. Und beide große Parteien, SPD und CDU , hatten dann auch noch für gestern den sonst üblichen Fraktionszwang aufgehoben. Es kündigte sich also eine lebhafte, womöglich quer zu den offiziellen Parteilinien verlaufende Plenardebatte und Entscheidung an. Die Erwartungen waren sehr hoch.

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Aber wenn es in dieser Diskussion gestern Nachmittag im Landtag Überraschungen gab, dann lagen diese weniger in der rhetorischen Kunst der Redner. Diese blieb bei den meisten Vortragenden im üblichen Bereich. Das Resultat der Abstimmung war anschließend auch so wie kalkuliert. Von den 105 Abgeordneten der beiden Regierungsfraktionen verweigerten elf dem von der rot-schwarzen Landesregierung vorgeschlagenen Reformationstag (31. Oktober) als neuem Feiertag die Zustimmung – es waren allesamt Abgeordnete der CDU, die mit Enthaltung oder Nein votierten. Alle Sozialdemokraten, die zuvor noch für eine Alternative warben, den Tag des Grundgesetzes (23. Mai) oder den internationalen Frauentag (8. März), waren in der Schlussabstimmung ganz auf Regierungslinie und sagten Ja zum Reformationstag. Da die allermeisten AfD-Abgeordneten ebenfalls für den 31. Oktober waren, kam dieser Vorschlag der Landesregierung am Ende dann doch auf stattliche 100 Stimmen von den insgesamt 137 Landtagsabgeordneten. Eine ernsthafte Gefahr für den von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) stark befürworteten Reformationstag hatte also nie bestanden.

Dennoch zeigten sich in der Debatte mehrere Auffälligkeiten: Erstens bildete sich in der CDU ein Kern von Abgeordneten aus dem Osnabrück-Emsländer Raum (dort vor allem katholisch geprägt) und aus dem Braunschweiger Raum, die sich für den Buß- und Bettag stark machten – in Übereinstimmung mit einer Haltung des katholischen Büros in Niedersachsen. Sprecher dieser Gruppe war Christian Calderone aus Quakenbrück (Kreis Osnabrück), der über die erschütterte Weltordnung, wachsenden Fundamentalismus und Nationalismus sprach – und von der Notwendigkeit zu Selbstkritik und Innehalten. Dafür eigne sich der Buß- und Bettag, der anders als der Reformationstag nicht für die Kirchenspaltung stehe, am besten. Zweitens meldete sich eine Gruppe von sieben SPD-Abgeordneten, die sich für den Grundgesetztag aussprachen – und in ihrem Vorstoß wohl ebenso wie die abweichenden CDU-Politiker eine Chance sahen, einmal ein Zeichen gegen die eigene Fraktionsführung zu setzen. Ihre Sprecherin Dörte Liebetruth (Verden) meinte, der Grundgesetztag stehe für Werte wie Demokratie und Religionsfreiheit, er sei geeignet, „eine Brücke zu bauen“ zu vielen Menschen, die in Gefahr seien, von Hass- und Hetzparolen verführt zu werden. Drittens meldete sich Alptekin Kirci (SPD), der für den Frauentag als Feiertag geworben hatte, aber neben seiner eigenen nur eine SPD-Stimme auf seine Seite zog – die von Landtagspräsidentin Gabriele Andretta. Zwar waren auch die zwölf Grünen-Abgeordneten für den Frauentag, aber nur in Kombination mit dem Europatag (9. Mai) als zweitem zusätzlichen Feiertag. Auch dieses Ansinnen blieb in einer klaren Minderheit und wurde ebenso wenig wie die beiden anderen Anträge zum Treibstoff für eine Verschiebung der Mehrheiten.


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Dafür taten sich in der Debatte dann andere neue Gräben auf. Ulrich Watermann (SPD) und Jens Nacke (CDU) hatten zunächst noch sehr sachlich für den Reformationstag geworben, verbunden mit der Mahnung, die Gefühle im Zaum zu halten. Stefan Birkner (FDP) hatte ebenso sachlich, aber bestimmt darauf reagiert: Der Staat solle sich nicht anmaßen, einen religiösen Tag zum staatlichen und damit arbeitsfreien Feiertag zu erklären – zumal die Arbeitsfreiheit eigentlich zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften vereinbart werden müsse. Das wurde in der Großen Koalition noch murrend hingenommen. Doch als dann Anja Piel (Grüne) nach vorn ging und Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) direkt attackierte, war die Empörung vor allem in der SPD riesengroß. Piel sagte, Weil habe die Entscheidung „im Hinterzimmer getroffen“ und „nur umgesetzt, was er vorher im Wahlkampf versprochen hat“, das sei ein „Hauruck-Verfahren mit der Brechstange“ und habe „mit Beteiligung nichts zu tun“. Piel fügte ein persönliches Wort an Weil hinzu: „In einer Großen Koalition sind Sie sich jetzt offenbar selbst genug. Für den großen Wurf steht Ihnen – nicht nur beim Feiertag – ihre Arroganz im Weg.“

Derart scharfe Angriffe vom früheren Partner, den Grünen, nahm der Ministerpräsident sichtlich verärgert auf, beschwerte sich über den Vorwurf der angeblichen „Hinterzimmerpolitik“, das Gegenteil sei vielmehr der Fall. Als später die SPD beantragte, in der Schlussabstimmung jeden Abgeordneten namentlich aufzurufen, „damit man sehen kann, ob die Grünen dann überhaupt für einen neuen Feiertag sind“, kam starker Beifall der SPD auf – sichtlich als strenge Erwiderung auf die  Attacke, die Piel vorher gegen die Sozialdemokraten geritten hatte. So ist in der Feiertagsdebatte dann ganz zum Schluss doch noch manches Porzellan zerbrochen. (kw)