Wie Dana Guth den Bundesparteitag nutzt
In der Bundespartei geht eine Ära zu Ende. Alexander Gauland, der zuweilen großväterliche, manchmal intellektuelle Vorsitzende der AfD, hat an diesem Wochenende beim Parteitag in Braunschweig seinen allmählichen Rückzug eingeleitet. Er wird „Ehrenvorsitzender“, und weil mit seinem Ausscheiden eine Lücke entsteht, war in der AfD eine unübersichtliche Situation entstanden.
Wer soll künftig an der Spitze stehen? Der langjährige erste Sprecher, Jörg Meuthen, wurde wiedergewählt. Aber wer sollte dann an seiner Seite stehen? Die beiden bekanntesten niedersächsischen Führungsfiguren, die Landesvorsitzende Dana Guth und ihr Vorgänger Armin-Paul Hampel, sahen in dieser Lage eine Chance zur eigenen Profilierung. Beide stehen sich seit Jahren unversöhnlich gegenüber – und das Gerangel zwischen ihnen ist quasi schon ein Dauerwettstreit, es wurde zum prägenden Thema der niedersächsischen AfD. Würde das nun auf die Bundesebene übertragen?
An diesen Wochenende geschieht, was man einen „Stellvertreterkrieg“ nennen kann. Nach zwei Jahren tagt der Bundesparteitag wieder in Niedersachsen, nämlich in der Braunschweiger „Volkswagenhalle“, und bei dieser Gelegenheit wirft Guth ihren Hut in den Ring. Sie bewirbt sich für einen der beiden Vorsitzendenposten auf Bundesebene. Die 49-jährige Immobilienkauffrau aus Herzberg im Harz will bei den Bundesdelegierten ihre Resonanz austesten. Das ist eine Einladung an ihre Anhänger, möglichst viel Unterstützung zu zeigen – und an ihre Gegner, das Gegenteil zu organisieren.
Hampel wollte wohl kein Risiko eingehen
Das Resultat bei der Wahl dürfte große Auswirkungen haben auf den März oder April 2020, wenn die AfD Niedersachsen sich zum Landesparteitag trifft und den Landesvorstand neu wählt. Zur Erinnerung: Bei der letzten Vorsitzendenwahl 2018 hatte Guth gegen Hampel gesiegt, bei der vorletzten Vorsitzendenwahl 2017 war es noch umgekehrt gewesen. Und diesmal? Würde Guth mit einem respektablen Ergebnis beim Bundesparteitag Rückenwind im Landesverband erhalten und ihre Macht retten können? Gemutmaßt worden war zu Beginn des AfD-Bundesparteitags, dass auch Hampel seinerseits als Kandidat gegen den ersten Vorstandssprecher Jörg Meuthen antreten würde – um ähnlich wie Guth auf Bundesebene Aufmerksamkeit zu erregen. Tatsächlich wird er dafür auch vorgeschlagen. Doch Hampel, der als außenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion einen Namen hat, verzichtete auf diesen Schritt. Es hätte für ihn auch das Risiko bedeutet, am Ende schwächer als Guth abzuschneiden.
Es wird der Tag kommen, an dem die geschwächte CDU nur noch eine Option hat, nämlich uns.
Viele Beobachter meinen, hinter dem Konflikt Guth/Hampel steckten mehr persönliche Animositäten als politische Inhalte. Aber wahr ist auch, dass Hampel stets nie Hemmungen hatte, engen Kontakt auch zum umstrittenen Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke zu halten, der als Vertreter des völkischen „Flügels“ den rechten Rand der Partei markiert. Höcke steht im Ruf, die AfD Schritt für Schritt auch für Rechtsextremisten zu öffnen.
Guth hingegen hat sich wiederholt von Höcke abgegrenzt, und sinnbildlich dafür war im vergangenen Juli der offene Brief von 100 AfD-Funktionären, die sich gegen „Personenkult“ und ausdrücklich auch gegen Höckes Auftreten wandten. An der Spitze der Unterzeichner stand Guth – und mit ihr positionieren sich die bekenntnisfreudigsten „Flügel“-Gegner in der Partei. Dazu gehören Parteivize Kay Gottschalk (MdB) aus NRW, einer der fleißigsten Strippenzieher der AfD, der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Georg Pazderski und der rheinland-pfälzische AfD-Politiker Uwe Junge.
Kandidatur monatelang vorbereitet
Aus dem Umfeld von Guth war zu hören, man habe ihre Kandidatur monatelang vorbereitet und hoffe auf kräftige Unterstützung aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und auch Baden-Württemberg. Optimisten sagten, Guth könne 250 Stimmen im ersten Durchlauf schaffen, also knapp die Hälfte der Delegierten. Die Pessimisten entgegneten, Guth sei bundesweit viel zu unbekannt, für die Kandidatur sei nicht ausreichend „gekungelt“ worden – sie könne maximal 50 Stimmen erreichen.
Es wird weder das eine, noch das andere. In ihrer Vorstellungsrede landet sie einen Lacherfolg, als sie ein Führungsteam Meuthen/Guth mit den Grünen vergleicht: „Ein bisschen wie Baerbock und Habeck, nur in intelligent.“ Zwei der drei Fragen, die ihr anschließend von Delegierten gestellt werden, stammen von Hampel-Anhängern – und drehen sich um ihre anfängliche Unterstützung für den inzwischen aus der AfD ausgeschlossenen Jung-Funktionär Lars Steinke. Guth kann die Angriffe souverän abwehren, aber bei der dann folgenden Wahl landet sie bei 129 Stimmen, das sind nur 22 Prozent. Die Stichwahl verpasst sie, diese entscheidet anschließend Tino Chrupalla aus Sachsen gegen den Berliner Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio für sich.
Auseinandersetzung in der Partei könnten sich verschärfen
Was heißt das nun für die Vorstandswahl im Landesverband im kommenden Frühjahr? Guth hatte sicher mit mehr Stimmen gerechnet, aber eine dramatische Niederlage ist es nun auch nicht. Damit dürften beide Lager in Niedersachsen weiter an ihren Strategien feilen. Nach dem jüngsten Landesparteitag im vergangenen Sommer keimte in der Landespartei die Hoffnung auf, die Guth-Leute und die Hampel-Leute könnten sich versöhnen und das Kriegsbeil begraben. Doch es ist wohl bei einer Hoffnung geblieben, ernsthafte Schritte wurden offenkundig nicht unternommen.
Womöglich aber werden die Auseinandersetzungen in der Partei insgesamt schärfer, denn der Bundesparteitag in Braunschweig offenbarte eine wachsende Gereiztheit in der AfD. Das Gegeneinander der beiden in etwa gleichstarken Gruppen, der Gemäßigten und der Radikalen des „Flügels“, führte zum Eklat, als der wegen antisemitischer Positionen stark umstrittene Wolfgang Gedeon seine Kandidatur für den Vorsitz ankündigte. Spontan verließ ein Drittel der Delegierten aus Protest gegen Gedeon den Saal. Das war wohl auch als Aktion gegen eine drohende Rechtslastigkeit anzusehen.
Umso mehr muss die Rede von Gauland zum Auftakt des Delegiertentreffens wie eine Art „Vermächtnis“ wirken. Gauland sagt, es bildeten sich in Deutschland immer stärker zwei Gruppen heraus – diejenigen, die in „der abgehobenen grünen Lebenswelt globaler Eliten“ leben und die anderen, die sich Sorgen um den Nationalstaat machten. Die einen plädierten für Grüne und Linke, die anderen für die AfD. SPD und CDU in der Mitte würden „zerrieben“. Es werde der Tag kommen, sagt Gauland, „an dem die geschwächte CDU nur noch eine Option hat, nämlich uns“.
Auch in der AfD, sagt der neue Ehrenvorsitzende, „träumen einige von der kleinen sozialrevolutionären Partei, und die Gelbwesten in Frankreich lassen grüßen“. Aber die Deutschen seien nicht gut in der Revolution, und so bleibe keine Alternative als bei demokratischen Wahlen so stark zu sein, „dass sie uns nicht mehr länger ausschließen können“. (kw)