Wer wird Minister in Berlin: Pistorius, Heil, Miersch – oder bleibt Gabriel?
Darum geht es: Die SPD-Mitglieder haben gesprochen, die Große Koalition kann bald kommen. Nun stehen die nächsten wichtigen Fragen an, nämlich die nach den neuen Ministern. Zu den Chancen der Niedersachsen im neuen Bundeskabinett ein Kommentar von Klaus Wallbaum.
Manche Politiker gefallen sich darin, den Journalisten ein zu großes Interesse an Personal- und ein zu geringes an Sachfragen vorzuwerfen. Das wird dann oft mit der These verknüpft, die Politiker seien doch im Vergleich zu den politischen Inhalten zweitrangig.
Geschick ist entscheidend für Erfolg und Misserfolg
Man darf diese Haltung in Zweifel ziehen. Der 177 Seiten starke Koalitionsvertrag, der seit gestern nun auch von der SPD gebilligt wurde und Grundlage für die Regierungsarbeit sein wird, bleibt in vielen Passagen unbestimmt. In anderen sind die Ansagen zwar klar formuliert, aber damit noch lange nicht wirksam. Es hängt davon ab, das Programm in Gesetzentwürfe zu gießen und diese dann im Parlament beschließen zu lassen. Das ist in jedem Einzelfall ein langer, manchmal beschwerlicher Weg, und bis zum Ziel ist das Geschick der handelnden Personen – in Ministerien und Fraktionsvorständen – entscheidend für Erfolg oder Misserfolg. Ein guter Minister kann viel mehr erreichen, als seine Partei von ihm erwartet hat. Ein schlechter Minister riskiert, im politischen Alltag nicht ernst genommen zu werden und unterzugehen. Beispiele für beide Fälle existieren reichlich.
Das #Mitgliedervotum ist ein Fest der innerparteilichen Demokratie! Wie schon vor 4 Jahren: auf die Mitglieder der #SPD ist Verlass. Sie lassen sich nicht erschrecken oder entmutigen. Das gilt übrigens für die Befürworter der Regierungsbeteiligung, wie für ihre Gegner.
— Sigmar Gabriel (@sigmargabriel) 4. März 2018
Wichtig ist auch die regionale Zuordnung. Wird ein mächtiger oder sich mächtig fühlender Landesverband einer Regierungspartei im Kabinett nicht angemessen berücksichtigt, so droht bei den dortigen Parteimitgliedern das Gefühl, „fremdbestimmt“ zu sein. Als in der ersten Liste möglicher SPD-Bundesministerkandidaten Anfang Februar kein Niedersachsen auftauchte, wirkte das wie ein Affront – gerade angesichts einer fast schon traditionellen Niedersachsen-Dominanz in der SPD. Also dürfte sicher sein, dass mindestens ein SPD-Politiker aus diesem Landesverband Bundesminister wird. Wenn es nicht mehr Sigmar Gabriel sein soll, da er bei Andrea Nahles, Olaf Scholz und vielen anderen hochrangigen Genossen in Ungnade gefallen ist, wer dann?
Miersch oder Heil?
Einiges spricht für Matthias Miersch als Bundesumweltminister. Er führt den SPD-Regionsverband Hannover und ist zugleich Sprecher der Linken in der SPD-Bundestagsfraktion. Sein Aufstieg würde also auch ein Signal an den linken Parteiflügel sein – so wie der Aufstieg von Jens Spahn zum Bundesgesundheitsminister ein Zeichen an den Konservativen in der CDU ist. Die Folge wäre aber wohl, dass die Braunschweiger nach Gabriels Abgang keinen Bundesminister mehr hätten, zum Ausgleich des Regionalproporzes könnte dann der Braunschweiger Landtagsabgeordnete Christos Pantazis gebeten werden, neuer Landes-Generalsekretär der SPD zu werden. Ein schwacher Trost. Es könnte aber auch der Braunschweiger SPD-Bezirkschef Hubertus Heil neuer Bundesarbeitsminister werden. Nur: Dieser Aufstieg wäre mit dem Makel verbunden, zweite Wahl zu sein. Heil hatte jüngst in Goslar vehement dafür geworben, dass Gabriel als bundesweit beliebtester Politiker im Kabinett bleiben soll. Damit hat er implizit ausgedrückt, stets hinter Gabriels Ambitionen zurückstecken zu wollen.
Zwei-Drittel für den Koalitionsvertrag sind ein sehr gutes Ergebnis. Wir übernehmen jetzt Regierungsverantwortung und werden gleichzeitig die SPD neu aufstellen.
— Hubertus Heil (@hubertus_heil) 4. März 2018
Noch eine Variante ist möglich, und über sie wird vor allem deshalb immer wieder gesprochen, weil der Betroffene sich seit geraumer Zeit auffällig stark in den internen Runden der Bundes-SPD engagiert. Innenminister Boris Pistorius aus Osnabrück könnte neuer Bundesjustizminister werden (etwa dann, wenn Amtsinhaber Heiko Maas ins Auswärtige Amt wechselt). Dies würde die spannende Frage akut werden lassen, wer dann neuer niedersächsischer Innenminister werden könnte. Viel spräche in einer solchen Situation wohl für Staatskanzleichef Jörg Mielke. Vom Regionalproporz passt das, da sein Bezirk Nord-Niedersachsen bisher ohnehin unterrepräsentiert ist. Eine solche Rochade könnte auch dazu führen, dass Birgit Honé Ministerin und Chefin der Staatskanzlei wird, der ohnehin schwerfällig startende Neuaufbau eines eigenständigen Europaministeriums könnte damit ohne Gesichtsverlust abgebrochen werden. Die Europa- und Regionalabteilungen kämen wieder in die Staatskanzlei – und man würde eine immer stärker spürbare Lücke in der Berliner Niedersachsen-Vertretung schließen, indem dort dauerhaft ein neuer Staatssekretär als Bevollmächtigter des Landes installiert wird.
Wer wechselt bei der CDU?
Auch auf der CDU-Seite sind noch einige Fragen offen. Dass Ursula von der Leyen Verteidigungsministerin bleibt, garantiert die Zufriedenheit der Niedersachsen-CDU. Nun kommt noch Hendrik Hoppenstedt als Staatsminister im Bundeskanzleramt hinzu, es fallen also zwei hohe Posten an Hannoveraner. Ob unter diesen Umständen die hannoversche CDU-Bezirkschefin Maria Flachsbarth Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesagrarministerium bleiben kann, ist fraglich. Angeblich läuft sich die Ostfriesin Gitta Connemann für diesen Posten schon warm. Die CDU hofft außerdem, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann aus Cuxhaven, halten zu können – er gilt als Garant für norddeutsche Verkehrsprojekte in dem nach wie vor von einem bayerischen Minister geführten Haus. Das ist nun umso mehr eine Schaltstelle, als ein Parteifreund von Ferlemann, Bernd Althusmann, der neue Wirtschafts- und Verkehrsminister in Niedersachsen geworden ist.
Konstellation noch unübersichtlich
Die Konstellationen sind spannend, sie bleiben an vielen Positionen noch unübersichtlich, vor allem in der SPD. Die große Frage wird sein, wie geschickt die Parteiführungen das Personaltableau aushandeln werden.