Darum geht es: Nach allem, was bisher zu hören ist, hat es beim Landesamt für Verfassungsschutz gravierende Fehler gegeben. Hinweise verdichten sich, dass die organisatorischen Vorkehrungen nicht klar genug geregelt waren. Es müssen politische Konsequenzen gezogen werden, meint Klaus Wallbaum.

Viel spricht dafür, dass die Tage von Maren Brandenburger im Amt der Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes gezählt sind. Nicht ohne Grund hat eine frühere Landesregierung vor ganz vielen Jahren mal entschieden, die Leitung dieser Behörde mit der Position eines politischen Beamten zu besetzen. Das heißt: Wenn etwas schief läuft beim Verfassungsschutz, kann man den jeweiligen Leiter als politisch verantwortlich identifizieren und ihn ohne persönliche Härten in den einstweiligen Ruhestand schicken. Und der Verfassungsschutz in Niedersachsen ist quasi schon geschichtlich vorbelastet als eine Behörde, in der öfter mal etwas schief läuft.

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Die aktuellen Ereignisse zeigen das einmal mehr: Weil der Verfassungsschutz eine geheime Information an einen ausgespähten Linksextremisten übermittelt hat, konnte die autonome Szene in Göttingen herausfinden, wer in den eigenen Reihen der Zuträger für den Verfassungsschutz sein musste. Der junge Mann wurde prompt an den Pranger gestellt – und nicht nur für ihn, sondern auch für die Reputation der Behörde ist der Schaden immens: Wer kann künftig noch sicher sein, als V-Mann beim niedersächsischen Verfassungsschutz ausreichend geschützt zu sein? Ohne gute V-Leute aber kann die Behörde ihre Arbeit eigentlich gleich einstellen. Nun gibt es mehrere – offiziell nicht bestätigte – Hinweise, die den Verdacht auf organisatorische Mängel im Verfassungsschutz nahelegen. Konnte die Panne geschehen, weil die internen Sicherungs- und Kontrollmechanismen im Verfassungsschutz nicht klar genug definiert waren oder intern unzureichend kommuniziert wurden? Sollte sich das konkretisieren, dürfte Brandenburger nicht zu halten sein.

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Bisher zögert Innenminister Boris Pistorius, dafür hat er gute Gründe. Sorgfalt vor Schnelligkeit ist immer eine ratsame Devise. Er kann Brandenburger aber wohl nur dann im Amt lassen, wenn er die kursierenden Vorwürfe entkräften kann – und danach sieht es derzeit nicht aus. Dass die Präsidentin für eine neue Kultur des Umgangs steht, weil sie sich der Transparenz verpflichtet sieht und die früher so abgeschottete Behörde mehr ins Licht der Öffentlichkeit gerückt hat, ist durchaus anzuerkennen. Dieser Verdienst wird sie aber am Ende nicht vor der Ablösung bewahren können, denn entscheidend bleibt die Leistungsfähigkeit bei den Kernaufgaben. Hier, bei der Aufklärung extremistischer Gruppen, hat die Behörde in einem Einzelfall total versagt – und das wiegt viel, viel schwerer. Außerdem ist das Bild der Arbeit dieser Präsidentin in den vergangenen fünfeinhalb Jahren ihrer Amtszeit nicht durchweg positiv, unabhängig von der Frage, ob sie persönlich für die 2017 aufgefallenen Mängel und Versäumnisse bei der Beobachtung der islamistischen Szene die Verantwortung trägt.

Der Name Brandenburger wird, wie auch der des Innenministers selbst, mit einem höchst zweifelhaften medialen Auftritt vor fünf Jahren in Verbindung gebracht. Beide erweckten damals den Eindruck, der frühere Innenminister Uwe Schünemann (CDU) habe gezielt kritische Journalisten überwachen lassen. Die Vorwürfe ließen sich so später nicht halten. Was aber blieb, war ein fahler Beigeschmack – denn die Angriffe wurden just zu der Zeit gestartet, als sich Schünemann anschickte, Landrat von Hameln werden zu wollen. Ein Minister und eine Verfassungsschutzpräsidentin, die versuchen, den Geheimdienst für politische Wahlkampfzwecke zu instrumentalisieren? Es blieb für beide zwar ein einmaliger Ausrutscher, aber vergessen ist die Sache bis heute nicht. Gegenwärtig führt das dazu, dass Brandenburger der Rückhalt beim heutigen Koalitionspartner CDU fehlt und sie völlig auf das Wohlwollen der Sozialdemokraten angewiesen ist.

An diesem Fall wird sich das Krisenmanagement der rot-schwarzen Koalition beweisen müssen, zuallererst das des Innenministers. Noch ist es für ihn nicht zu spät, noch kann zeigen, dass er das Heft des Handelns in der Hand hält.

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