Vertreter der deutschen Fischereiwirtschaft schlagen Alarm: Sollte es nicht gelingen, den im kommenden Jahr anstehenden EU-Austritt Großbritanniens mit neuen Handelsvereinbarungen zu begleiten, werde das drastische Folgen für die auch in Niedersachsen stark vertretene Hochseefischerei zu haben. Aus der Nordsee würden jährlich 50.000 bis 60.000 Tonnen Hering gefangen – und das ausschließlich in Arealen, die Großbritannien zustehen. „Wenn wir keinen Zugang zu den Fanggebieten in der britischen Zone mehr haben, stirbt unter Umständen die Heringsfischerei“, sagte Uwe Richter, Vorsitzender des Deutschen Hochseefischerei-Verbandes, vor wenigen Tagen in einer Anhörung des Landtagsausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten. Auch Peter Breckling vom Deutschen Fischerei-Verband bat die Politiker um Unterstützung. Die Kutterfischerei in Cuxhaven und die Plattfischfischerei in Brake könnten von den Brexit-Folgen schwer betroffen sein. Für die Krabbenfischerei in Ostfriesland indes sehe er keine Bedrohung.

 

Die Hochseefischerei in Deutschland hat drei Hauptstandorte – Cuxhaven in Niedersachsen, Sassnitz auf Rügen in Mecklenburg-Vorpommern und Bremerhaven. An diesen drei Standorten habe man acht hochspezialisierte Schiffe und mehr als 400 Mitarbeiter, darunter 330 Seeleute, die von Cuxhaven und Bremerhaven aus auf See gehen. Zwei der modernsten europäischen Fangschiffe seien vor Cuxhaven im Einsatz. Die Hauptfanggründe liegen in der Nordsee und in westbritischen Gewässern, wo die deutschen Schiffe vorwiegend den Hering, die Makrele und die Holzmakrele aus dem Wasser ziehen. Außerdem ist die deutsche Hochseefischerei vor der norwegischen Küste gefordert, wo Kabeljau, Schellfisch und Seelachs auf der Beuteliste stehen. Vor der Küste Grönlands werden Rotbarsch und Schwarzer Heilbutt gefangen. Als Teil von Drittland-Abkommen sind die Schiffe dann auch für den Sardinenfang vor der afrikanischen Küste aktiv, dafür gibt es Vereinbarungen mit Marokko und Mauretanien. Insgesamt haben die Hochseefischer 2016 rund 152.000 Tonnen Fisch an Land befördert, 2017 seien es sogar 20.000 Tonnen mehr gewesen. In Bremerhaven lag der Umsatz 2016 bei 45.000 Tonnen, in Cuxhaven bei 31.000 und in Sassnitz bei 46.000 Tonnen.

 

Die EU-Gesetzgebung und zwischenstaatliche Vereinbarungen bewirken bisher, dass die deutschen Schiffe Zugang zu britischen Gewässern haben, sogar zu der Zwölf-Seemeilen-Zone der Briten. Als Problem sieht Richter nun, dass die Briten in ihrer Zone auf alle gewünschten Fischarten zugreifen könnten, sie also ein weitaus geringeres Interesse als die Deutschen haben, ihre Fangrechte auf andere Zonen auszuweiten. Das schwäche die EU-Verhandlungsposition in dieser Frage. Wenn der Zugang zu den britischen Gewässern nun wegfalle, müsse die Hochseeflotte wohl zwei Schiffe stilllegen – Niedersachsen sei betroffen. „Das würde einen Verlust von bis zu 500 Arbeitsplätzen bei den Seefahrern, beim Landpersonal und auch in der Dienstleistungsbranche bedeuten“, sagt Richter. Der Tausch von Quoten mit den britischen Fischereiunternehmen, zu denen man bisher einen guten Kontakt pflege, müsse also gewährleistet bleiben. Ein Teil der britischen Fischindustrie gehe schon dazu über, einen „harten Brexit“ zu fordern, selbstständig Fangquoten festzulegen und diese den anderen aufzudrücken.


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Folgewirkungen eines Brexit könnten die Lage nach Darstellung der Fischerei-Vertreter noch verschärfen. Bisher sei vor allem die Seelachsfischerei in Cuxhaven auf die Chance angewiesen, in norwegischen Gewässern fischen zu können. Da die Norweger im Gegenzug auf Basis eines EU-Abkommens in britischen Zonen tätig werden kann, drohe nun Deutschland zum Verlierer eines Ringtausches zu werden: Die Norweger haben bereits Kontakt nach London aufgenommen, um ein bilaterales Abkommen zu schließen. In Island würden ähnliche Pläne reifen. Wenn das zustande komme, könnte die deutsche Seelachsfischerei dabei hinten runter fallen. Ein anderes Problem seien die französischen Seelachsfischer, die bisher in britischen Gewässern aktiv sind und im Brexit-Fall wohl gern auf Norwegen ausweichen wollten – wo sie auf die deutsche Konkurrenz stoßen. Mittelfristig rechnen die Fischerei-Verbände auch damit, dass die Briten im Fall eines harten Brexit beginnen werden, mit einem Flotten-Programm und der Förderung heimischer Verarbeitungsbetriebe unabhängiger vom Fischhandel mit den bisherigen EU-Nachbarn zu werden.

Kleineren Kuchen verteilen

Das Problem bilateraler Verträge zwischen Großbritannien und einzelnen Staaten, etwa Norwegen und Island, sei folgendes: Die Briten könnten dort viel höhere Quoten als bisher erhalten. Wenn dann die EU selbst mit Norwegen einig werden wolle, müsse man einen kleiner gewordenen Kuchen verteilen. Das bedrohe beispielsweise die Fangrechte für Schwarzen Heilbutt vor Grönland, die bisher vollständig von deutschen Firmen genutzt werden. Hierfür sind bisher zwei Hochseeschiffe aus Niedersachsen im Einsatz.