Darum geht es: Das Büro von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies war bereits Wochen vor dem umstrittenen Vorwärts-Termin darüber informiert, dass einen Sponsor gibt. Ein Kommentar vor Martin Brüning.

Nein, ein wirkliches Problem wird „Vorwärtsgate“ für den niedersächsischen Wirtschaftsminister aller Voraussicht nach nicht. Man könnte durchaus die Organisation seines Ministerbüros in Frage stellen, die zu der für Olaf Lies peinlichen Situation führte, dass er einen Tag nach seiner Erklärung im Landtag weiteren Schriftverkehr zu dem Fall der Öffentlichkeit präsentieren musste. Dennoch bleibt es nur schwer vorstellbar, dass Lies vollumfänglich über die Vorwärts-Deals im Bilde war. Und Geld hat er schließlich dafür auch nicht bekommen. Haken dran.

Über die vor allem in der Bundeshauptstadt verschwimmenden Grenzen zwischen Politik, Medien und Wirtschaft sollte man sich allerdings durchaus seine Gedanken machen. Dabei geht es nicht um den immer wieder kritisierten Ausstellerstand auf Parteitagen. Wenn man auch nicht konkret weiß, welches Unternehmen wieviel für welche Standgröße bezahlt hat, so ist diese Form des Sponsorings doch immer noch sehr transparent und erleichtert den Parteien bei sinkenden Mitgliedszahlen (also auch sinkenden Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen) massiv das Anmieten der nötigen großen Hallen für Parteitage. Da sollte man realistisch bleiben.

Problematischer ist dagegen das Gebaren des Vorwärts-Verlags und dessen Agenturtochter NWMD. Wenn die Tochter des SPD-Verlags nicht nur Veranstaltungen gegen Geld organisiert, sondern als Full-Service-Agentur auch weitere Kommunikationsdienstleistungen wie Kampagnen oder Geschäftsberichte anbietet, verschwimmen die Grenzen. So hat die SPD-nahe Agentur laut ihrem eigenen Blog zum Beispiel nicht nur beim Sparkassentag 2016 den Ausstellerstand organisiert, sondern auch eine Veranstaltung zu einer Tarif-Kampagne der IG BCE Nordost. Im NWMD-Blog werden Vorwärts-Redakteure im „angeregten Gespräch“ mit Lobbyvertretern gezeigt.

Die SPD sollte einmal darüber nachdenken, ob das nicht eine unglückliche Mischung ist. Wenn ein Lobbyverband der SPD-nahen Agentur den Auftrag für einen Geschäftsbericht gibt, stecken seitens der Lobbyisten dann nicht noch weitergehende Erwartungen dahinter? Das Verschwimmen der Grenzen betrifft einige Medien übrigens genauso, die inzwischen aus der Not heraus mit eigenen Agenturen versuchen, Geld zu verdienen. Wenn eine Veranstaltung für Lobbyisten in Berlin organisiert wird, heißt es dann gerne, die Redaktion der Zeitung habe damit nichts zu tun: „Die sitzen ja in einem anderen Stockwerk.“

Parteien machen Politik, Medien berichten mit kritischem Abstand darüber und die Wirtschaft sollte unter anderem Waren her- und Dienstleistungen bereitstellen. Im neuen Gemischtwarenladen der Agenturen verschwimmen die Grenzen. Für die Bürger führt das zu einer elementaren Frage, die immer schwieriger zu beantworten ist: Wem können wir noch vertrauen?

 

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