Weil verrät schon mal seine Botschaft für den Landtagswahlkampf: „Sicherheit im Wandel“
Gerade mal zwei Wochen ist es her, dass die SPD bei der Bundestagswahl bundesweit die stärkste Partei wurde – und seither läuft gefühlt alles wie am Schnürchen für die Partei. Wohl auch deshalb war die Stimmung heiter, als die SPD-Delegierten des Bezirks Hannover, mit 25.000 Mitgliedern der mit Abstand größte in Niedersachsen, zum Parteitag in Hildesheim zusammenkamen. Neben Satzungsänderungen und Vorstandswahl standen auch zwei wichtige inhaltliche Punkte an – erstens eine erste Bestandsaufnahme nach dem Wahlkampf, in Erwartung einer kommenden Ampelkoalition im Bundestag. Und zweitens die Einstimmung auf den Landtagswahlkampf, der in knapp einem Jahr wieder in einen SPD-Wahlsieg enden soll.
So nutzte denn auch Ministerpräsident Stephan Weil, SPD-Landesvorsitzender und langjähriges Mitglied dieses Bezirks, in seinem längeren Grußwort die Gelegenheit zu einer Standortbestimmung. In diesem fünftgrößten SPD-Verband der Republik, der für sein ausgeprägt linkes Profil seit vielen Jahren bekannt ist, bleibt das nicht ohne Risiko. Weil sagte, die Geschlossenheit sei wichtig, denn nur das mache eine Partei für die Wähler attraktiv. Seine Leitschnur sei das Prinzip „Sicherheit im Wandel“, das nach seiner Einschätzung auch unausgesprochen das Leitmotiv der SPD im Bundestagswahlkampf gewesen war. Für ihn sei „Sicherheit im Wandel“ eine konkrete Ansage für die Landespolitik – und sie bedeute, dass die Wähler keine Angst vor den Positionen der Grünen auf der linken und den Christdemokraten auf der rechten Seite haben müssten, denn die Sozialdemokratie stehe „in der Mitte der Gesellschaft“. Dann fügte Weil noch hinzu, der Erfolg der SPD bei der Bundestagswahl sei „vor allem unserem Kanzlerkandidaten zu verdanken“. Weil lobte noch den „unauffällig gelaufenen Generationswechsel“ bei der Kommunalwahl – eine Verjüngung habe eingesetzt, sichtbares Zeichen sei die Wahl des 42-jährigen Steffen Krach zum neuen hannoverschen Regionspräsidenten. „Von dem kann die Niedersachsen-SPD noch ganz viel erwarten“, hob der Ministerpräsident hervor. Krach selbst fehlte in der Veranstaltung indes. Die Partei, sagte Weil weiter, müsse angesichts von Olaf Scholz‘ nahender Kanzlerschaft „auf dem Teppich bleiben“ und habe eine Zukunftsvision für Niedersachsen – als Energieland Nummer eins, als Vorreiter für klimaneutrale Autos und eine moderne Landwirtschaft. „Wir brauchen gute Rahmenbedingungen im Bund, daran arbeiten die Genossen in der Bundestagsfraktion, und dann wollen wir in Niedersachsen zeigen, wie es geht“, rief Weil in den Saal. Freundlicher, angenehmer Applaus war die Reaktion. Keine Euphorie, aber auch keine Spur von Kritik.
Aber würden viele Genossen das Profil der SPD nicht lieber einen Tick weiter links sehen? Der vor zwei Jahren erstmals zum SPD-Bezirkschef gewählte Matthias Miersch, Sprecher der „Parlamentarischen Linken“ in der SPD-Bundestagsfraktion, versicherte Weil in seiner Rede zunächst seine „volle Unterstützung“, und er griff auch dessen Tagesbotschaft „Sicherheit im Wandel“ auf. Aber anders als der Ministerpräsident bemühte sich der SPD-Bezirkschef in seiner Rede zu einer stärkeren Neigung nach links. Die Gemeinsamkeiten mit den Konservativen in der bisherigen Großen Koalition auf Bundesebene sei „ausgequetscht“, betonte Miersch. Jetzt müsse die Zeit für wichtige Reformen anbrechen, etwa eine Abschaffung des Paragraphen 219a im Strafgesetzbuch, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. „Wir müssen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen stärken“, rief Miersch – und sprach sich auch noch für ein stärkeres Vorgehen gegen Rechtsextremisten aus. Wenn es um das Spannungsverhältnis von Staat und Markt gehe, das in einer Ampelkoalition im Bund sicher hervortreten könne, dann sei die SPD gefordert: „Wir können uns nicht dem Markt ausliefern, wir brauchen einen handlungsfähigen Staat.“ Auf der anderen Seite dürfe man etwa bei der CO2-Bepreisung keine nationalen Alleingänge hinlegen – denn das könne die von manchen gewünschte Renaissance der Kernenergie begünstigen. Bei den Wahlen erhielt Miersch 158 Ja-Stimmen, sechs Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. Damit sicherte sich Miersch ein Ergebnis in der Größenordnung, wie sie früher stets auch der jetzige SPD-Ehrenvorsitzende Wolfgang Jüttner im Bezirk erhalten hatte. Stellvertreter von Miersch bleiben Svenja Stadler (Harburg), Ulrich Watermann (Hameln-Pyrmont) und Amina Yousaf (Göttingen).
Parteireform schreitet voran: Auch wenn die Bundestagswahl die Stimmung gehoben hat, sind die Ausgangsbedingungen der SPD nicht ideal, das schlechte Europawahlergebnis steckt der Partei immer noch in den Knochen, wie Geschäftsführer Christoph Matterne und Schatzmeister Stephan Klecha erläuterten. Die Mitgliederzahl schrumpft beständig, der Bezirk will aber – als einziger in Deutschland – weiterhin die Mitarbeiter nach Tarif bezahlen. Viele Serviceaufgaben, etwa das Erstellen von Rechenschaftsberichten, wurden schon an ein „Servicecenter“ der Partei in Dortmund ausgelagert, und bei Finanzfragen schloss man sich dem „Cash-Management“ der Bundespartei an. Bei der Bildungsarbeit bekommen die Genossen aus Mecklenburg-Vorpommern und demnächst auch Sachsen-Anhalt kräftige Unterstützung aus Hannover. Die SPD will aber, wie Miersch in seiner Rede hervorhob, bei aller Spar-Notwendigkeit die hauptamtliche Präsenz in jedem Unterbezirk – auch in ländlichen Gebieten – erhalten. Die „gute Ausgewogenheit von Stadt und Land“ sei sein „Garantieversprechen“, betonte der SPD-Bezirkschef. Mehrere Satzungsänderungen passierten den Parteitag daraufhin problemlos, nur bei einer meldete die Chefin der SPD in der Region Hannover, Claudia Schüßler, Widerspruch an. Die geplante Verkleinerung der Delegiertenzahl des SPD-Bezirksparteitags von 243 auf 180 solle man noch mal aussetzen, schlug sie vor – und bekam dafür 67 Stimmen, 89 waren für die Satzungsänderung. Da hier die Zweidrittelmehrheit verfehlt wurde, bleibt der Bezirksparteitag weiter in der bisherigen Größe.
SPD startet den Landtagswahlkampf: Die ersten Schritte für den Landtagswahlkampf der SPD beginnen schon in dieser Woche. Im Keller der Landesgeschäftsstelle, des Kurt-Schumacher-Hauses in der hannoverschen Odeonstraße, werde in diesen Tagen ein Team von Kampagnen-Mitarbeitern einziehen, kündigte Bezirksgeschäftsführer Matterne an.
Ruf nach Frauenförderung: Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen reichte beim Parteitag einen Initiativantrag ein, in dem eine „gleichberechtigte Repräsentanz und Sichtbarkeit von Frauen in den vordersten Führungsfunktionen der Demokratie“ verlangt wird. Das zielt offenbar auf die Posten der Bundestagspräsidentin und der nächsten Bundespräsidentin. Beide Personalien müssen auf Bundesebene demnächst entschieden werden. (kw)