Weil: Sonntagsöffnungen sind das „Loch Ness“ der Landespolitik
Im Streit um die Sonntagsöffnungen sieht Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil das Land auf der Zielgeraden. Auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN) in Braunschweig sprach Weil von einem „klugen Gesetzentwurf“, den das Sozialministerium erarbeitet habe. Weil zufolge muss aber sichergestellt sein, dass nicht 24 Stunden vor einem verkaufsoffenen Sonntag mit einer einstweiligen Verfügung wochenlange Planungen plötzlich zunichte gemacht werden. „Das kann nicht vernünftig sein“, sagte er.
Zuvor hatte sich Martin Schlichter, Präsident der IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, noch Verbesserungen am aktuellen Gesetzentwurf gewünscht. Man brauche Planungssicherheit, so dass die offenen Sonntage dann auch durchgeführt werden könnten, meinte Schlichter. „Wir glauben, dass der Anlassbezug im Entwurf noch nicht genügend konkretisiert ist. Am liebsten wäre es uns natürlich, wenn der Anlassbezug komplett wegfiele oder zumindest so rechtssicher formuliert wird, dass uns die verlaufsoffenen Sonntage nicht in letzter Minute durch Gerichtsurteile verboten werden können.“
Bei ihrer Forderung hat die Kammer auch den Handelsverband Niedersachsen an ihrer Seite. Er spricht sich dafür aus, auf den Anlassbezug zu verzichten. Zudem müsse mit Regelbeispielen klar gemacht werden, was als rechtfertigender Sachgrund für eine Sonntagsöffnung in Betracht komme. So habe zum Beispiel Nordrhein-Westfalen in Regelbeispielen das öffentliche Interesse genauer definiert. „Das Thema verfolgt mich regelrecht“, seufzte Weil auf der IHK-Veranstaltung. Er habe schon 1997 als Ordnungsdezernent der Stadt Hannover mit dem Thema Sonntagsöffnungen zu tun gehabt. „Das Thema ist das Loch Ness der niedersächsischen Landespolitik. Es kommt immer wieder hoch.“ Es sei ein hoher Anspruch, eine gerichtsfeste Lösung zu finden, weil von allen Seiten starke Kräfte daran zerrten.
Das Thema Sonntagsöffnung ist das Loch Ness der niedersächsischen Landespolitik. Es kommt immer wieder hoch.
Stephan Weil
Unterstützung versprach Weil den IHK-Vertretern in Braunschweig beim Problem der Feiertagsverkehre. In Niedersachsen ist der Reformationstag jetzt gesetzlicher Feiertag, in Nordrhein-Westfalen ist einen Tag später an Allerheiligen frei. Spediteure können deshalb am 31. Oktober nicht in einem und am Folgetag nicht im anderen Bundesland fahren. „Das Transportgewerbe hat dadurch riesige Probleme. Wir müssen eine Lösung für nicht-bundeseinheitliche Feiertage finden und den Verkehr über die Ländergrenzen hinaus ermöglichen, sagte IHKN-Präsident Helmut Streiff. Weil fand nachvollziehbar, dass die aktuelle Regelung nicht sinnvoll sei und kündigte an, mit dem Wirtschaftsministerium über Möglichkeiten einer länderübergreifenden Regelung zu sprechen.
IHK-Präsident stellt Anreizsystem der Hochschulen in Frage
Ein zentrales Thema der niedersächsischen Wirtschaft ist der Mangel an Fachkräften. Streiff lobte in Braunschweig die geplante bessere Berufsorientierung an Schulen. Die Zahl der Praxistage an Gesamtschulen und Gymnasien steigt von 10 auf 25 Tage. „Berufsorientierung bekommt damit einen ganz anderen Stellenwert. Wenn wir das Ziel erreichen, dann haben wir einen volkswirtschaftlich enormen Effekt“, hofft der IHKN-Präsident. Der Ministerpräsident nahm auch die Unternehmen in die Pflicht. Die Wirtschaft müsse sich auch vor Ort in den Gymnasien bemerkbar machen. Sie müsse von sich aus in die Gymnasien gehen und dürfe damit nicht nachlassen. Weil wünscht sich bei der Suche nach Fachkräften auch mehr Effektivität an den Hochschulen. „Es wäre gut, zu einem System zu kommen, in dem Professoren Studenten vor einem Abbruch darauf aufmerksam machen: es gibt noch ein Leben neben der Hochschule. Viele, die ihr Ingenieur-Studium abbrechen, könnten in einer guten technischen Ausbildung sehr gut aufgehoben sein.“
Christian Hinsch, Präsident der IHK Hannover, stellte das Anreizsystem in den Hochschulen in Frage. Es bestehe der Anreiz, möglichst viele Studenten an der Hochschule zu haben. „Das ist für die Suche nach Studienabbrechern, die das Interesse an einer Ausbildung haben könnten, natürlich kontraproduktiv. Meine Befürchtung ist, dass der Abbrecher dann eher ein anderes Fach an der Hochschule wählt, weil das auch gut für die Hochschul-Statistik ist.“ Weil antwortete, in den Leistungsvereinbarungen, die der Finanzierung der einzelnen Hochschule zugrunde lägen, sei der Studienerfolg einer der wesentlichen Faktoren. Er habe aber bereits in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Wissenschaftsministerium darüber gesprochen, ob man den Bereich nicht noch stärker ausbauen müsse. „Da geht noch mehr“, ist Weil überzeugt.