Der Landtag hat am Dienstag über verschiedene Vorschläge diskutiert, wie man mit einer „Karenzregel“ den beruflichen Wechsel von Ministern in die Privatwirtschaft transparenter gestalten und möglicherweise sogar einschränken kann. Bisher gibt es eine solche Regel im niedersächsischen Ministergesetz nicht. Als aber Anfang August Umweltminister Olaf Lies (SPD) über ein Angebot brütete, neuer Hauptgeschäftsführer des „Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft“ (BdEW) zu werden, brach im Landtag eine Diskussion über die Übergangsregeln los.


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Auslöser war seinerzeit die scharfe Kritik von Grünen-Fraktionschefin Anja Piel an Lies: Dieser sei ein „Ankündigungsminister ohne Durchschlagskraft“, der geplante Übergang habe ein „Geschmäckle“. Schon im August reagierte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) höchst irritiert auf diese von ihm als populistisch empfundene Stellungnahme von Piel. Er forderte eine Entschuldigung.

Ministerpräsident Weil kritisiert die Grünen

An diesem Dienstag nun, bei der ersten Landtagsdebatte über eine „Karenzregel“, flammte dieser Streit von Anfang August noch einmal auf – und zeigte, wie tief verletzt viele in der SPD von der Aussage der Grünen-Fraktionschefin sind. Der Ministerpräsident sagte in seiner Rede, die von den Grünen hervorgehobenen Prinzipien hätten offenbar auch bei den Grünen selbst ihre Grenzen. Damit spielte Weil darauf an, dass anstelle von Lies, der seinerzeit das Angebot ablehnte und dem Kabinett die Treue schwur, die Grünen-Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae an die Spitze des BdEW berufen wurde.

Er könne gut verstehen, meinte jetzt Weil, wenn ein Abgeordneter über ein Angebot, die Energiewende an verantwortlicher Stelle und zu vernünftigem Salär mitzugestalten, einen Anlass zum längeren Nachdenken sehe. Wenn man das aber ablehne, müsse man schon „eine besondere Grundsatztreue haben“, und diese sei bei den Landtagsabgeordneten in Niedersachsen offenbar gegeben – „aber schon in den Reihen der Bundestagsabgeordneten nicht mehr“. Kräftiger Applaus der SPD ertönte.

Auch wenn Herr Weil die Marienburg kaufen will, ist Niedersachsen keine Monarchie – und sachliche Kritik an einem Minister wird auch künftig erlaubt sein.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wiard Siebels meinte wenig später, an die Grünen gewandt: „Man kann sich doch einfach mal entschuldigen.“ Helge Limburg (Grüne) hatte zuvor gesagt. „Auch wenn Herr Weil die Marienburg kaufen will, ist Niedersachsen keine Monarchie – und sachliche Kritik an einem Minister wird auch künftig erlaubt sein.“ Weils Ruf nach einer Entschuldigung habe ihn „amüsiert“, sagte Limburg.

Mehrere Vorschläge für Karenz-Regeln

Was die Karenz-Regeln selbst angeht, liegen nun mehrere Vorschläge vor. Die Landesregierung empfiehlt, dass jeder Minister bis zu anderthalb Jahre lang nach dem Ausscheiden aus dem Amt der Regierung anzeigen soll, welche beruflichen Angebote er hat. Die Regierung solle das dann untersagen können, wenn Interessenskonflikte entstehen oder zumindest der Anschein einer Unvereinbarkeit. Das gilt vor allem dann, wenn der Verdacht laut wird, der Minister könne früher erworbenes Dienstwissen in der neuen Tätigkeit zu seinem wirtschaftlichen Vorteil nutzen.

Weil, Siebels und Christian Calderone (CDU) halten 18 Monate für eine vertretbare Frist, zumal eine Karenzregel immer auch „ein Eingriff in die Berufsfreiheit des betroffenen Politikers“ bedeute. Damit will das Kabinett die im Bund verbindliche Regel auf Niedersachsen übertragen. Neun Bundesländer haben bisher noch keine solchen oder ähnlichen Vorschriften erlassen, sieben noch nicht. Die Grünen und die AfD beantragen statt 18 Monaten das Doppelte, nämlich 36 Monate.

Wer darf Wechsel in die Wirtschaft verbieten?

Die Grünen möchten darüber hinaus, dass auch Abgeordnete berufliche Angebote dem Parlamentspräsidium anzeigen müssen – dieses solle dann empfehlen können, ob ein Wechsel angebracht ist oder nicht. Stefan Birkner (FDP) lehnt die Ausweitung auf Abgeordnete ab, da diese „zu 99 Prozent öffentlich“ agierten und gar kein geheimes Dienstwissen anhäufen könnten. Die FDP ist mit der 18-Monate-Regel im Entwurf der Landesregierung einverstanden, möchte die Entscheidung über ein Verbot des Wechsels nicht der Regierung selbst, sondern einem Parlamentsgremium überlassen. Das wiederum lehnt Weil strikt ab: „Das soll Sache der Exekutive bleiben!“ Birkner kritisiert am Regierungsvorschlag, dass dieser erst auf den Tisch gekommen sei, als der „Fall Lies“ akut wurde: „Das Ganze ist also eine Lex Lies“, meinte der FDP-Fraktionsvorsitzende.