Darum geht es: In Frankfurt treffen sich heute Betriebsräte der IG Metall, um unter anderem mit

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil über das Thema „Arbeit 4.0“ zu sprechen. Dabei wird es auch um den Regelungsbedarf der Politik gehen. Ein Kommentar von Martin Brüning:

Die gute Nachricht zuerst: Die Disruption fällt aus. Obwohl es in der digitalen Avantgarde en vogue ist, immer wieder die angeblichen Brüche herauszustellen, die es durch die Digitalisierung an einigen Stellen durchaus gibt, ist die Realität in der Arbeitswelt eine andere. Die Entwicklung der Digitalisierung in den Unternehmen laufe vielmehr evolutionär, sagte der niedersächsische AOK-

Vorstandsvorsitzende Jürgen Peter in der vergangenen Woche. Die Krankenkasse versucht gerade, in einem mehrjährigen Projekt zusammen mit 21 niedersächsischen Unternehmen herauszufinden, wie sich die Digitalisierung auf die Arbeitswelt auswirkt. Ein erstes Ergebnis nach einem Jahr lautet: Wir erleben an den Schreibtischen und in den Industriehallen eine Evolution, keine Revolution. Das bedeutet allerdings nicht, die Hände in den Schoß zu legen. Denn natürlich werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich an neue Verhältnisse anpassen und die Politiker den entsprechenden Rahmen setzen müssen. Diese vier Bereiche gehören dabei auf jeden Fall in den Fokus:

Arbeitszeit: Die Arbeitgeber drängeln. Es stelle sich die Frage, ob die aktuellen Arbeitszeitmodelle noch den Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft entsprechen, meint Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall. Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger und UVN-Hauptgeschäftsführer Volker Müller monieren, dass der aktuelle arbeitsrechtliche Rahmen noch aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts stamme, aus der Zeit von Wählscheibe und Telex. Niedersachsens DGB-Vorsitzender Mehrdad Payandeh warnt hingegen vor psychischem Druck und entgrenzten Arbeitszeiten. Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte. Natürlich sind heutige Arbeitszeitregeln anachronistisch, und das nicht erst, seit es die Digitalisierung gibt. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Flexibilität bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern erfordert, geht nicht immer konform mit starren, altertümlichen Regelungen. Auf der anderen Seite gibt es die reelle Gefahr der Entgrenzung. Die Herausforderung wird darin liegen, eine gute Regelung für so viele Arbeitnehmer wie möglich zu finden. Große Unternehmen mit Betriebsräten finden bereits heute Kompromisse. Aber je kleiner das Unternehmen, desto schwieriger wird es. Es braucht einen „Fair Deal“ für die Arbeit 4.0.

Weiterbildung: „Wer hat, dem wird gegeben“, ist seit Jahren vielfach das Prinzip der Weiterbildung. Manche Mitarbeiter bekommen in ihrem gesamten Arbeitsleben nicht eine einzige Weiterbildung angeboten, andere bilden sich jährlich weiter. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle: wo man in Deutschland wohnt, ob man ein Mann oder eine Frau ist, ob man nur Teilzeit arbeitet und ob man in einem großen Unternehmen oder einer kleinen Klitsche beschäftigt ist. Diese Nachlässigkeit wird man sich in der neuen Arbeitswelt nicht mehr leisten können. Wer die Fachkräfte der Zukunft finden und halten und im Wettbewerb bestehen will, wird systematischer und breiter als bisher weiterbilden müssen. Zudem sind viele Fragen immer noch offen. Ein Beispiel: Wie können sich Mitarbeiter von Plattformen wie Uber eigentlich weiterbilden?

Führung: „Transformationale Führung“ lautet ein Trend-Zauberwort. Der Chef soll dabei ein Vorbild sein, die Mitarbeiter intrinsisch motivieren und zur Lern- und Leistungsbereitschaft inspirieren. Wie immer das in der Praxis dann auch aussehen wird, eines steht fest: Reine Hierarchie ist out. Es reicht nicht mehr aus, nur der Chef zu sein und im Kommandoton Anweisungen zu geben. Kein Unternehmen wird sich im Wettbewerb um Fachexperten mehr solche Führungskräfte leisten können. Für eine erfolgreiche Umstellung sind dabei übrigens nicht nur Weiterbildungen nötig (siehe oben), sondern ein eine Anpassung der Unternehmenskultur. Dabei werden auch Behörden vor Herausforderungen stehen, die sie vielleicht noch nicht einmal ahnen.

Vernetzung: Eigentlich ein alter Hut, aber eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg der Zukunft. Wer sowohl um sein Unternehmen herum als auch im Unternehmen selbst Mauern stehen lässt, nimmt sich selbst Entwicklungsmöglichkeiten. So wird es entscheidend sein, im Unternehmen selbst Mitarbeiter mit unterschiedliche Vorbildung, Motivation und kulturellem Hintergrund immer wieder an einen Tisch zu bringen. Und auch die Abschottung nach außen gehört der Vergangenheit an, weil sie einen nicht weiter bringt.

Eine Führungskraft hat die Veränderungen mit einem Satz auf den Punkt gebracht: Jeden Tag eine neue Welt. Eine spannende Zeit hat bereits angefangen. Wer allerdings nur verwalten will, der wird an der neuen Zeit wenig Freude haben.

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