Als die Landesregierung am Dienstag den „Rettungsschirm“ aufgespannt hat für die kleinen und mittelgroßen Betriebe im Land, für die Solo-Selbständigen und die vielen, die akut von einer Insolvenz bedroht sind, wurden in den Rathäusern und Kreishäusern schon einige führende Leute unruhig. Wo, fragen sie, bleiben eigentlich wir?


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Viele Hallen für Großveranstaltungen, Schwimmbäder, Sportanlagen, Theater, Volkshochschulen und andere Kommunalbetriebe sind zwar privatrechtlich organisiert, gehören aber den Städten oder Kreisen. Wenn nun die Arenen für große Events, Konzerte, Parteitage, Seminare und Kundgebungen leer stehen, die Mitarbeiter aber weiter bezahlt werden müssen, häufen sich rote Zahlen an. Gleichzeitig kürzen Unternehmen angesichts der Krise ihre Steuervorauszahlungen. Was die Gewerbesteuer angeht, sind hier die Städte die Hauptbetroffenen. Wie soll man darauf reagieren?

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Die Stadt Braunschweig, die schon sehr früh die Zeichen der Zeit erkannt hat, hatte gerade erst im Februar den Haushaltsplan für 2020 in den kommunalen Gremien beraten. Vor ein paar Wochen schrieb die Verwaltung eine „Liquiditätsermächtigung“ von 50 Millionen Euro in das Konzept, also eine Kreditermächtigung. Inzwischen hat der Verwaltungsausschuss die Zahl nachgebessert auf 350 Millionen Euro – in Erwartung von nötigen Schritten gegen die Folgen der Corona-Krise im eigenen Budget. In Hannover spekuliert die SPD-Ratsfraktion bereits über einen Nachtragshaushaltsplan mit höherer Schuldenaufnahme.

Schuldenaufnahme ist nicht so einfach möglich

Allerdings ist das, wie bei allen Kommunen, bisher nur ein frommer Wunsch. Denn ob sie tatsächlich Schulden aufnehmen können oder nicht, befindet am Ende die Kommunalaufsicht – und die Genehmigung von kommunalen Haushaltsplänen dort, also bei den Kreisen für die Gemeinden und beim Innenministerium für die Kreise und kreisfreien Städte, zieht sich normalerweise einige Wochen bis Monate hin. Das könnte spät werden, wenn plötzlich schon das nötige Geld in den Kassen fehlen sollte. Das Innenministerium teilt mit, dass man derzeit an neuen Regeln in diesem Bereich arbeite. Auf der anderen Seite könnte eine eilige Anweisung der Aufsicht, unbürokratisch und großzügig die Tore für weitere kommunale Verschuldung zu öffnen, auch höchst riskant sein.

Erkennbar wird dies etwa in Vorstellungen, wie sie in der Stadt Osnabrück herrschen. Dort hat die SPD-Ratsfraktion unlängst einen „kommunalen Rettungsschirm“ gefordert – zinslose Darlehen oder Ausfallbürgschaften für mittelständische Unternehmen und eine Stundung der Mieten für Pächter städtischer Einrichtungen. So angemessen das einerseits klingt, so sehr drängt sich andererseits die Frage auf, ob unter diesen Schirm auch jene schlüpfen könnten, die nicht erst seit Beginn der Corona-Krise leiden, sondern schon vorher nicht mehr wirtschaftlich aufgestellt waren.

Sollte die Prüfung in solchen Fällen allein auf den Schultern der Kommunalaufsicht lasten – oder kann es nicht auch für kommunale Betriebe Sonderprogramme geben, wie sie Wirtschaftsminister Bernd Althusmann für die kleinen Firmen schon angekündigt hat? Die N-Bank wäre dann auch hier gefordert.

Wer darf entscheiden: Rat oder Verwaltung?

Wenn man nun unterstellt, dass rasch genügend Geld zur Linderung der Probleme bereitstehen wird, kommt sofort das nächste Problem auf den Tisch: Wer entscheidet, wie diese Hilfen eingesetzt und unbürokratisch vermittelt werden? Konkret geht es darum, was der Bürgermeister oder Landrat als „Geschäft der laufenden Verwaltung“ selbst regeln darf und für welche Zwecke er die Zustimmung seines Verwaltungsausschusses oder Rates benötigt. Die Grenze liegt meistens recht tief, dies hat auch damit zu tun, dass das ehrenamtliche Element der Ratsmitglieder nicht einem quasi allmächtigen hauptamtlichen Verwaltungschef ausgeliefert sein soll. Zumindest der Verwaltungsausschuss soll in der Regel mitwirken.


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Wenn nun aber die Corona-Krise dazu führen sollte, dass massenweise höhere Geldbeträge und Liquiditätshilfen von der Stadt oder vom Kreis vergeben werden müssen, könnte ein enormer Zeitdruck entstehen – das führt dann zwangsläufig dazu, dem Hauptverwaltungsbeamten eine höhere Vollmacht in finanziellen Fragen einzuräumen. In Braunschweig hat Stadtkämmerer Christian Geiger jetzt einen Beschluss erwirkt, der eine Anhebung des Betrages vorsieht, über den der Oberbürgermeister mit Bezug auf Corona allein verfügen kann – statt bisher 100.000 Euro sind es künftig 1,5 Millionen Euro. Praktisch spielt das auch eine Rolle, wenn etwa eine Kommune für ihr städtisches Krankenhaus die zum knappen Gut gewordenen Atemschutzmasken benötigt und plötzlich ein günstiges Angebot erhält – dann muss sie rasch zugreifen und kann nicht warten, bis das nächste Mal der Verwaltungsausschuss zusammentritt.

Kommunen suchen Wege, Ratsversammlungen knapp zu halten

Die Sitzungen der Kommunen sind sowieso noch ein besonderes Problem, denn jegliche nicht zwingend notwendigen Zusammenkünfte sollen ja unterbleiben, damit die Ansteckungsgefahr möglichst gering gehalten wird. Nun können ein Drittel der Ratsmitglieder aber eine Ratssitzung verlangen – aber sollten sie das tun? Das Innenministerium empfiehlt, alle Sitzungen möglichst abzusagen oder zu verschieben.

Und wenn weniger als die Hälfte etwa der Verwaltungsausschuss-Mitglieder zu einer Sitzung erscheint, könne man auch den Paragraphen 89 der Kommunalverfassung nutzen, der unter der Überschrift „Eilentscheidungen“ steht. In dringenden Fällen dürfte dann der Bürgermeister allein tätig werden (müsste aber einen seiner Stellvertreter einbeziehen). Was aber sind nun solche „dringenden Fälle“? Das Innenministerium teilt dazu mit, dies gelte dann, wenn ein Aufschub „erhebliche Nachteile oder Gefahren“ nach sich ziehen würde.

Streng genommen lädt die Bestimmung dazu ein, vieles zu vertagen. Das geht von einer kurzfristigen Gefahr aus, doch aktuell zieht sich das Corona-Ansteckungsrisiko über Wochen und Monate hin – damit droht eine erhebliche Lähmung des kommunalen Entscheidungsprozesses. Die Vorschrift in der Kommunalverfassung braucht also nach der Corona-Krise noch eine Präzisierung.

Ratsbeschlüsse per Video-Chat wären „nichtig“

Das Innenministerium erklärt, der Verwaltungsausschuss könne seine Beschlüsse ja auch im „Umlaufverfahren“ treffen – das heißt, eine Akte geht reihum und wird von jedem Vertreter mit einem Votum versehen. In sehr modernen Rathäusern könnte man auf die Idee kommen, eine Ratssitzung per Skype zu organisieren und die Teilnehmer per Video zuzuschalten. Das allerdings, erklärt Simone Schelk vom Innenministerium, wäre gefährlich: „Entsprechende Beschlüsse wären mangels Rechtsgrundlage nichtig.“ (kw)