Warum sich die evangelische Kirche mit dem Klimaschutz so schwertut
Von Niklas Kleinwächter
Es war die Frühjahrstagung des hannoverschen Kirchenparlaments vor einem halben Jahr, auf der sich Landesbischof Ralf Meister mit der „Fridays for Future“-Bewegung solidarisierte. In seinem Bericht vor der Synode der Landeskirche Hannovers lobte er ausdrücklich das Engagement der jungen Klima-Aktivisten und ließ danach auch zwei von ihnen zu Wort kommen. Doch die eigene Klimabilanz der größten evangelischen Landeskirche fiel zugleich ernüchternd aus. Ein Bericht des Umwelt- und Bauausschusses des Kirchenparlaments bescheinigte der Landeskirche damals, dass sie eigentlich nur beim Gebäude- und Energiemanagement Fortschritte erzielen konnte.
Bischof Meister sagte seinerzeit, es würde zwar schon viel getan, und das auch seit Jahren. Immerhin schon 2007 hätte sich eine Landessynode mit dem Klimawandel beschäftigt und seit 2012 besitze die Landeskirche ein Klimaschutzkonzept. „Doch wir setzen es nicht mit der Ernsthaftigkeit um, die wir angesichts der drängenden Notwendigkeit brauchen würden“, so Meister. Am Donnerstag wird das Kirchenamt die Synode nun über den Fortschritt bei den Klimaschutzmaßnahmen der Landeskirche informieren – viel getan hat sich seitdem aber noch nicht.
Wenn wir so etwas nun zentral entscheiden, würden wir die Leute entmündigen.
Doch warum bewegt sich die Kirche beim Klimaschutz so wenig? Am Landesbischof liege es nicht, betont Reinhard Benhöfer, Referent für Umwelt- und Klimaschutz beim Haus kirchlicher Dienste, dem Dienstleistungszentrum der Landeskirche. Bischof Meister habe das Thema Klimaschutz schon lange auf der Agenda, doch in den Kirchenkreisen habe die Frage, wie die Kirche das Klima schonen kann, in der Vergangenheit keine besonders große Rolle gespielt.
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Das ändert sich nun offenbar. Haben bisher nur etwa zwei Kirchenkreise pro Jahr die Hilfe von Benhöfers zehnköpfiger Abteilung in Anspruch genommen, sind allein im zurückliegenden Halbjahr schon sechs Anfragen an ihn gerichtet worden. Hier zeige vor allem die „Fridays for Future“-Bewegung Wirkung, sagt Benhöfer im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Vor Ort werden die Gemeinden aufmerksamer und sensibler. Damit dieses Interesse auf fruchtbaren Boden fällt, setzt Benhöfer auf den Kontakt von Mensch zu Mensch. Denn die Kirche stelle zwar auf ihren Internetseiten viele Informationen für die zahlreichen Ehrenamtlichen bereit – doch oftmals erreichten diese gar nicht die Interessierten. Die Landessynode hatte deshalb schon im Frühjahr signalisiert, dass der bisher nur als Projektstelle existierende Klimaschutzmanager auf Dauer eingerichtet werden soll.
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Personal für Beratung und Schulungen sei gerade deshalb besonders wichtig, sagt Benhöfer, weil die Landeskirche nicht einfach von oben durchsetzen könne, wie in ihren Gemeinden bestimmte Dinge erledigt werden sollen. „Dezentralität, Gewaltenteilung und Subsidiarität sind die Kennzeichen moderner Institutionen“, sagt der Klimaexperte der Kirche. „Wenn wir so etwas nun zentral entscheiden, würden wir die Leute entmündigen.“
Besonders im Bereich der Beschaffung könne den Handelnden vor Ort nichts aus der Hand genommen werden. „Beim Einkaufen gibt es ein großes Autonomiebedürfnis, das ist in unserer Gesellschaft stark mit Freiheit verbunden“, erklärt Benhöfer und beschreibt dabei, wie er in seiner Kirchengemeinde einmal versucht hatte, mit den älteren Damen, die für den Einkauf zuständig sind, auf ökologische Produkte umzusteigen. Trotz des nötigen Bewusstseins und der Finanzierungszusage durch den Kirchenvorstand seien die Frauen, die alle der Nachkriegsgeneration angehörten, schließlich bei den eingeübten Ideen vom sparsamen Einkaufen hängen geblieben. Würde man diese Ehrenamtlichen nun aber zu bestimmten Verhaltensweisen zwingen, gingen sie für die Kirche wohl verloren, fürchtet Benhöfer.
Fotovoltaik auf Kirchendächern? Das lohnt sich nicht
Neben Schulung und Beratung setzt die Kirche deshalb auch auf finanzielle Hilfen. So stellt die Landeskirche zum Beispiel Sondermittel für Energieeinsparungen zur Verfügung. Zurzeit werde zudem geprüft, wie viel die Umrüstung von Heizungen in kirchlichen Gebäuden kosten würde. Benhöfer kann sich vorstellen, dass die Kirche ab 2021 gar keine fossilen Heizungen mehr einbauen lässt. Zu Kosten und Nutzen dieser Maßnahme wird gerade ein Gutachten erstellt. Der Klimaschutzexperte der Kirche glaubt, dass beim Heizen die Kosten für die CO2-Verringerung am geringsten seien.
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Von Fotovoltaik-Anlagen auf Kirchendächern hält er allerdings wenig. Er empfehle jedem, das gar nicht erst zu versuchen – weil der Denkmalschutz dem entgegenstehe und der Ertrag ohnehin den Aufwand nicht lohnen würde. Benhöfer schlägt stattdessen vor, auf sämtliche Dächer von kirchlichen Kindergärten, Tagungshäusern und Verwaltungsgebäuden Solar-Panels anzubringen. Dort gebe es noch jede Menge Möglichkeiten.
Elektro-Autos setzen sich bei Pastoren noch nicht durch
Auch bei der Mobilität setzt die Kirche auf finanzielle Unterstützung. Seit einem halben Jahr fördert sie etwa den Umstieg auf emissionsärmere Fortbewegungsmöglichkeiten. So erhalten Kirchengemeinden für die Anschaffung von E-Bikes oder das Installieren von nicht-öffentlichen Ladesäulen für Elektro-Autos einen Zuschuss von 1000 Euro. Und bei der Fahrtkostenpauschale werden die Mehrkosten bei Elektro-Autos, die über die normale Vergütung von 30 Cent pro gefahrenem Kilometer hinausgehen, von der Kirche übernommen.
Doch für die meisten Pastoren lohnt sich die Anschaffung eines Elektro-Autos bislang gar nicht – und Dienstwagen, die auch privat genutzt werden können, sind in der Kirche nicht vorgesehen. Deshalb gibt es nun einen Vorschlag, wonach sich die Pastoren mit ihren Dienststellen die Kosten für ein privates E-Auto, das dann auch für Dienstfahrten genutzt wird, teilen könnten. Doch die komplizierte Abrechnung und die Verträge dahinter schrecken offenbar noch viele Pastoren ab.
Benhöfer sieht beim Klimaschutz in seiner Kirche also noch viele Baustellen. Es gehe nur langsam voran, sagt er. Die erstarkte Klimaschutz-Bewegung gebe aber Rückenwind. Vor allem vor Ort in den Kirchenkreisen und Gemeinden – dort, wo in einer dezentral strukturierten Kirche die Entscheidungen getroffen werden.