Warum müssen jetzt die Wildvögel unter dem Koalitionskrach leiden?
Darum geht es: Agrarministerin Barbara Otte-Kinast hat mit ihrer Entscheidung, die Jagd-Pachtverträge im Nationalpark Wattenmeer zu verlängern, nicht nur ihren Kabinettskollegen Olaf Lies von der SPD provoziert. Sie hat auch den Naturschutzverbänden vor den Kopf gestoßen. Ein Kommentar von Klaus Wallbaum.
Wenn zwei Minister sich streiten, muss das nicht von vornherein negativ sein. Minister sind nämlich immer beides – zum einen Vertreter einer bestimmten Denk- und Sichtweise, die in ihren jeweiligen Ministerien gepflegt wird, zum anderen Vertreter des Gemeinwohls, weil sie fachliche Gesichtspunkte und das Interesse der Allgemeinheit zur Deckung bringen müssen. Insofern sind offen ausgetragene Konflikte, zwischen Umwelt- und Agrarminister allemal, nichts Ungewöhnliches.
Ungewöhnlich ist der aktuelle Vorgang zu den Jagdrechten im Nationalpark Wattenmeer aber sehr wohl. Otte-Kinast hat offenkundig die auslaufenden Pachtverträge verlängert, obwohl ihre Domänenverwaltung mit den Vertretern des Umweltministeriums ständig im Kontakt war und beide Seiten an einem Kompromiss gearbeitet hatten. Dass sie diesen Prozess mit einer eigenen Entscheidung abkürzt und ihren Kollegen Lies damit vor vollendete Tatsachen gestellt hat, ist vom Stil her nicht nur merkwürdig – sondern sollte unter Koalitionspartnern eigentlich verboten sein. Sicher, Lies ist vorher, etwa bei der Festlegung der Regeln für die Natura-2000-Gebiete, auch nicht zimperlich mit dem Agrarministerium umgegangen. Manche sagen, damals zu Jahresbeginn habe der „alte Fuchs“ Lies die Newcomerin Otte-Kinast „über den Tisch gezogen“. Selbst wenn das so gewesen sein sollte, darf sich die Ministerin nicht dafür bei den Jagdpachtverträgen rächen. Wenn die Zusammenarbeit in der Koalition erst von den Regeln der Provokation und Revanche geprägt ist, können die Regierungsparteien am besten gleich einpacken, denn dann kann man ihnen nicht viel Konstruktives mehr zutrauen.
Dabei ist gar nicht erkennbar, warum die Jagd auf Wildvögel im Nationalpark nicht weiter eingeschränkt werden sollte. Dass die Tiere sich stark vermehren und die Landwirtschaft schädigen, kann als Argument nicht gelten, denn es geht hier um die Jagd in Schutzgebieten. Will also Otte-Kinast in der Sache nur den Jägern helfen, von denen viele schon traditionell eine Nähe zu den Christdemokraten haben? Will sie den ungelösten Konflikt auf den Nordseeinseln, den ihr Vorgänger Christian Meyer (Grüne) jahrelang ignoriert hatte, handstreichartig zugunsten einer Seite lösen? Wenn das so wäre, wäre es peinlich – stehen doch die Jäger und die Jagd für eine kleine Gruppe mit olivgrünen Röcken, Gewehr und Fernglas. Dabei ist Otte-Kinast doch eine Verbraucherschutzministerin und müsste mehr die gesunde Ernährung und die Qualität der Nahrungsmittel im Blick haben, Themen also, die viel mehr Menschen in Niedersachsen etwas angehen. Statt aber eine Kampagne für eine bessere Aufklärung der Verbraucher und Konsumenten zu starten, verkämpft sie sich für die Jäger, die im Nationalpark aus reinem Spaß an der Freude auf arme Vögel schießen und neue Trophäen ergattern wollen. Welch kluge politische Strategie dahinter verborgen sein soll, erschließt sich nicht.