Warum Friedrich Merz jetzt nicht der Richtige an der Spitze der CDU wäre
Darum geht es: Der Paukenschlag kam am Tag nach der Hessen-Wahl: Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte gestern an, sich beim bevorstehenden CDU-Bundesparteitag nicht erneut um den Vorsitz zu bewerben. Welchen Kurs nimmt die CDU? Ein Kommentar von Klaus Wallbaum.
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Die Mitteilung von Bernd Althusmann, dem Vorsitzenden der Niedersachsen-CDU, zu den aktuellen Ereignissen gestern in Berlin dürfte medial heute kaum großen Widerhall finden. Denn der Wirtschaftsminister aus Hannover kündigte lediglich „Ruhe und Besonnenheit“ in der bevorstehenden Personaldebatte an. Nichtssagender kann eine Erklärung kaum ausfallen. Seine Botschaft lautet: Wie immer die Diskussionen über die Nachfolge von Angela Merkel demnächst verlaufen werden, Althusmann und seine Mitstreiter in Hannover haben sich selbst fest vorgenommen, eine Parteinahme für den einen oder die andere tunlichst zu vermeiden. Das ist sicher auch klug. Denn die CDU in Niedersachsen, hinter Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg drittgrößte Landesorganisation der Partei, ist in dieser Personalie alles andere als geschlossen. Solange heute Merkel oben steht und es früher Helmut Kohl tat, blieb ein Richtungskampf immer unter der Decke – der Respekt vor der Parteiführung verlangte Geschlossenheit. Jetzt erodiert die Führung, damit können bisher verdeckte Unterschiede sichtbar werden.
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Nimmt man die Niedersachsen, sind da wohl grob drei Gruppen zu nennen. Es gibt die Konservativen, vorzugsweise in den ländlich-protestantischen Gebieten, die früher zur „Deutschen Partei“ gehörten. Diese Leute sind konservativ, spüren den Hauch der AfD im Nacken und wünschen sich einen wie Friedrich Merz, der aus ihrer Sicht drei große Vorzüge hat: Er kann glänzende Reden halten, konservative Werte verkörpern und gleichzeitig eine Nähe zur Wirtschaft herstellen. Daneben gibt es die Konservativen aus katholisch geprägten Gebieten, in denen das Soziale eine viel größere Bedeutung hat als in den eher protestantischen Gegenden. Hier dürfte der kühle Anwalt Merz eher reserviert aufgenommen werden. Die dritte Gruppe sind die liberalen Großstadtpolitiker, die in der CDU zunehmend um Gehör bitten – und die an Angela Merkel vor allem die gesellschaftliche Erneuerung bewundern: weg von der Atomkraft, Hinwendung zu einem modernen Frauen- und Familienbild, Öffnung für soziale und ökologische Fragen. Ihnen dürfte der 63-jährige Merz, der in den vergangenen zehn Jahren politisch abstinent geblieben war, wie ein Mann der Vergangenheit erscheinen.
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Noch ist nicht klar, wer beim Bundesparteitag der CDU antreten wird. Sagen lässt sich aber heute schon: Es wäre fatal, wenn ein Comeback von Merz nun die Zukunftsvision der CDU sein müsste. Erstens polarisiert Merz, hat kein soziales Profil und ist deshalb nicht der Mann der Stunde. Die Gesellschaft ist gespalten, nötig sind Brückenbauer an der politischen Spitze, denen Politik für die Menschen ein erkennbares Herzensanliegen ist. Zweitens müsste Merz als Nummer eins der Union gleichzeitig auch ein geeigneter Regierungschef sein, denn als CDU-Chef könnte er wohl kaum vertrauensvoll im Team mit der Noch-Kanzlerin Angela Merkel zusammenwirken. Zu sehr stehen sich die beiden in tiefer Abneigung gegenüber. Merkel müsste im Fall seines Wahlerfolgs auch als Kanzlerin zurücktreten und ihm den Weg ganz an der Spitze der Macht in Deutschland ebnen. Ein geordneter, über einige Monate gestreckter Übergang der Kanzlerschaft, wie Merkel ihn offenbar vor Augen hat, wäre so kaum möglich. Ob ein solcher Prozess überhaupt ratsam wäre, steht auf einem anderen Blatt.
Sind Annegret Kramp-Karrenbauer oder Jens Spahn eher geeignet? Viele Argumente, die gegen Merz vorgetragen werden, treffen auch auf den 38-jährigen Bundesgesundheitsminister zu. Immerhin – er stünde vom Alter her für eine Erneuerung, ist auch eher jemand, von dem man noch erwarten kann, dass er hinzulernen will und kann. Sein inhaltliches Profil ist viel unklarer, als er selbst gern zugeben will, aber darin steckt auch eine Chance für ihn. Kramp-Karrenbauer dagegen fehlt die rhetorische Kraft, die viele in den vergangenen Jahren auch bei Merkel schmerzlich vermisst haben. Sollte sie antreten, dann am besten im Team mit einem Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs, der die Partei begeistern kann und außerhalb der Partei aufhorchen lässt.
Eines ist allerdings auch klar: Von den bisher genannten Kandidaten hat die größte Integrationskraft, die liberalen wie die konservativen Kräfte in der Union einen zu können, sehr wahrscheinlich die Frau aus dem Saarland.