Die Freien Demokraten haben es nicht geschafft. Mit 4,7 Prozent haben sie den Einzug in den 19. niedersächsischen Landtag knapp verpasst. Das ist nicht nur eine herbe Enttäuschung für die FDP, ihre Kandidaten und Mitarbeiter von Partei und Fraktion – sondern auch ein Verlust für das Parlament, kommentiert Niklas Kleinwächter.

Stefan Birkner | Screenshot: Plenar-TV

Die Enttäuschung war groß in den Reihen der FDP. Als um 18 Uhr die Ergebnisse über die Bildschirme flimmerten, ahnten die meisten von ihnen bereits: Diesmal hat es nicht gereicht. Ein wenig ungerecht ist es schon, kann man meinen. Denn die FDP scheint die einzige Partei in Niedersachsen zu sein, die unter dem Bundestrend der eigenen Partei zu leiden hat – während beispielsweise die niedersächsische SPD davon wenig spürt. Für Politiker endet an diesem Abend eine Karriere, zumindest erlebt sie einen Knick. Und für zahlreiche Mitarbeiter heißt es nun: auf zu neuen Ufern. Anders als 2013, als die FDP aus dem Deutschen Bundestag geflogen ist, wird es diesmal wohl kaum Unterschlupf bei den Freunden von der Unionsfraktion geben – denn auch dort hat man mit Verlusten zu kämpfen.


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Dass die FDP nun fünf Jahre Pause machen muss, ist aber mehr als nur ein persönliches Schicksal der betroffenen Politiker. Es wird diesem Parlament künftig eine wichtige Stimme fehlen. Auch wenn die FDP in der zurückliegenden Wahlperiode nicht die Opposition angeführt hat (die meiste Zeit hatten die Grünen einen Sitz mehr), haben sie häufig den Eindruck vermittelt, sie würden es tun. Gerade während der Corona-Pandemie schien sich im Parlament zeitweise eine übergroße Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen gebildet zu haben. Die AfD, sofern es sie als Fraktion noch gab, stand in der Debatte ohnehin abseits. Die FDP aber hat es vermocht, im Landtag immer wieder sowohl die Bürgerrechte als auch die parlamentarischen Beteiligungsrechte in Erinnerung zu rufen und für sie zu streiten.

Die Fraktionen von SPD und CDU blieben größtenteils ihrer Regierung hörig, die Grünen preschten zeitweise mit Lockerungs- oder Schließungsplänen vor, ja. Aber die FDP forderte vor allem stringente, regelbasierte Verfahren sowie offene Debatten über Sinn und Unsinn bestimmter Maßnahmen ein. FDP-Fraktions- und Parteichef Stefan Birkner ist dabei nie populistischen Versuchungen erlegen. Im Wahlkampf erfanden die FDP-Strategen für Birkners Stil den Begriff der „Ratio-Sau“ – im Gegensatz zur Rampensau.


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Und nicht nur in der vergangenen Wahlperiode hat die FDP eine gute Figur gemacht, auch im Wahlkampf hatte sie gute Ansätze. In entscheidenden Debatten vertraten die Freien Demokraten markante Positionen: Dass die Atomkraftwerke weiterlaufen und die Förderschulen Lernen erhalten bleiben sollen, vertrat dann zwar auch die Union. Die FDP aber war es, die diese Akzente zu Kernthemen ihres Wahlkampfes gemacht hat. Allein der linksliberale Flirt am Ende des Wahlkampfes wirkt wie ein Bruch mit dem sonst stringent bürgerlich-liberalen Kurs.



Wer wird im Parlament nun die Stimme der Liberalen vertreten? Als die FDP aus dem Bundestag geflogen ist, schickten sich die Grünen an, sich als neue Bürgerrechtspartei zu präsentieren. Grün – mit liberalem Anstrich. Dass das aber bei den eher linken Grünen in Niedersachsen passiert, ist eher unwahrscheinlich. Allzumal in einer Koalition mit der SPD werden die Grünen hier eher zum Paternalismus tendieren, gerade in Krisenzeiten wie diesen. Und die Union? Die wird ihre Rolle nun neu finden müssen als Oppositionsführerin gegen Rot-Grün aber an der Seite der AfD.