War der getötete Wolf „Kurti“ gar nicht gefährlich?
Unbekannte Fotoaufnahmen vom Truppenübungsplatz in Munster sorgen für neue Fragen zum Verhältnis zwischen Mensch und Wolf. Der NDR hatte über die Fotos berichtet, auf denen zum Beispiel Förster, Soldaten und Feuerwehrleute zu sehen seien, die sich mit Wölfen fotografieren ließen. Die Nachricht wirft ein neues Licht auf den Abschuss des so genannten Problem-Wolfs Kurti im vergangenen April. Er hatte sich, bevor er getötet wurde, Menschen bis auf wenige Meter genähert. Landesumweltminister Stefan Wenzel (Grüne) hatte das Tier daraufhin zum Abschuss freigegeben.
Die jetzt bekannt gewordenen Fotos wecken Zweifel, ob der Abschuss gerechtfertigt gewesen ist. Wenn der Wolf vorher in Kontakt zu Menschen gestanden hatte, könnte dies der Grund für sein auffälliges Verhalten gewesen sein. Womöglich hatte sich das Tier an die Menschen gewöhnt und deren Nähe gesucht, deshalb könnte es fraglich sein, ob von ihm wirklich eine Gefahr ausgegangen war. Die Erlaubnis zum Abschuss, von Wenzel ausgesprochen, stünde damit auf tönernen Füßen.
Eine Sprecherin des Umweltministeriums bestätigte heute in Hannover, die Fotos seien dem Ministerium bekannt. Seit wann, sagte sie allerdings nicht. Es habe schon lange „Hinweise zu Nahbegegnungen“ gegeben. Dies werde von Fachleuten auch stark diskutiert. Fotos lägen auch der Landesjägerschaft vor. Einer Veröffentlichung der Fotos steht das Ministerium offenbar skeptisch gegenüber. Die Öffentlichkeit könne es in vielen Fällen nicht beurteilen, was auf den Fotos zu sehen sei, sagte die Sprecherin.
Die Frage, ob Wölfe abgeschossen werden sollen, hat bereits zu einer aufgeregten öffentlichen Debatte in Niedersachsen geführt. Just in dem Moment, da die Bilder der Wölfe für Aufsehen sorgen, hat sich auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in die Diskussion eingemischt. Er äußerte sich gegenüber einem NDR-Fernsehteam am Donnerstag beim Heidschnuckentag in Örtze. Weil erklärte, auch der Abschuss von Wölfen müsse erwogen werden. Am Tag nach diesem Interview war der Sprecher der Staatskanzlei bemüht, den Eindruck eines Wechsels der Politik zu diesem Thema zu zerstreuen. Nur „langfristig“ müsse es darum gehen, die Wolf-Population „nicht unbegrenzt wachsen zu lassen“, hob der Sprecher hervor. Der Ministerpräsident habe sich keineswegs für den Abschuss aussprechen wollen, sondern „nur das Spannungsfeld in dieser Frage beschrieben“.
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Die Sprecherin von Umweltminister Wenzel hob hervor, dass derzeit überhaupt kein Grund bestehe, über einen Abschuss nachzudenken. In Niedersachsen lebten 50 bis 70 erwachsene Tiere, damit sei der „Erhaltungszustand“ laut EU-Vorgabe noch lange nicht erreicht – also der Zustand, der es der Art ermöglicht, eine Selbsterhaltung in der Region zu sichern. Es müssten viel mehr Wölfe in Niedersachsen leben, damit die EU die Erlaubnis erteilen könne, den Schutzstatus für diese Tiere herabzusetzen.