Wahlkampf im Stall
Darum geht es: Die Agrarminister haben auf ihrer Konferenz in Hannover beschlossen, die Milchbauern zu unterstützen und in der Debatte zur Sauenhaltung den Bauern möglichst schnell Planungssicherheit zu geben. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Es ist Wahlkampfzeit in Deutschland. In diesem Jahr stehen noch in zwei Bundesländern und im Bund Wahlen an. Niedersachsen folgt im Januar 2018. Und so war es in der Abschluss-Pressekonferenz nach dem Treffen der Agrarminister in Hannover spürbar, dass der Auftritt auch für Parteipolitik genutzt werden sollte. Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer warf CSU-Bundesminister Christian Schmidt vor, die Lösung gegen das Töten männlicher Küken zeitlich zu verschleppen, sein Minister- und Partei-Kollege Robert Habeck aus Schleswig-Holstein bemängelte, der Bund sperre sich bei Finanzierungsfragen. Und SPD-Minister Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern kündigte bis zum Herbst einen Gesetzentwurf an, wenn bis dahin die Milchkrise nicht endlich im Griff sei. Der Bundesagrarminister wiederum versuchte sich beim Thema Milchkrise ebenfalls in markigen Worten („ein Weiter-so kann es nicht geben“).
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Auch wenn die politische Leerformel „Die Minister nehmen zur Kenntnis“ in den Beschlüssen dominiert – so ganz ohne Ergebnisse ist die Konferenz nicht geblieben. So sind sich alle einig, dass die Krise der Milchwirtschaft ein Ende finden muss. Aktuell liegen die Preise wieder leicht über 30 Cent pro Kilogramm. Vor der Krise lagen sie bei etwa 40 Cent und da müssen sie auch wieder hin, wenn das Höfesterben ein Ende finden soll. Inzwischen ist klar, dass die Landwirtschaft gerne breitbeinig auftritt, selbst aber nicht in der Lage ist, das Problem zu lösen. Die Landwirtschaft ist ein bisschen wie die „failed“ Stadt Berlin: wer jahrzehntelang das Geld aus Fördertöpfen bekommt, dem wird die Kraft genommen, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Ein marktwirtschaftliches Zusammenspiel zwischen Landwirten, Molkereien und Supermarktketten funktioniert deshalb nicht. Die Landwirte wäre gerne so unabhängig wie möglich, sind hier aber wieder auf die Politik angewiesen. Die Rede ist unter anderem von einer flexiblen Mengensteuerung in der Europäischen Union.
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Auch in der Frage der Sauenhaltung steuert das Gremium auf eine sinnvolle Lösung zu. „In der Diskussion kommen wir nicht mit schierer Lautstärke weiter“, sagte der Bundesagrarminister und mahnte damit, das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Wenn es gut, läuft, ist zumindest das Thema Planungssicherheit pünktlich zur Bundestagwahl vom Tisch. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern arbeitet bereits daran. Meyer sprach von Übergangszeiträumen zwischen fünf und 20 Jahren für bestehende Ställe. Danach könnte es auf das dänische Modell hinauslaufen. Dabei sind die Tiere deutlich weniger Tage im Kastenstand und schneller wieder in der Gruppe. Ein überdimensionaler Umbau von Kastenständen und damit große Planungsschwierigkeiten für alte und neue Ställe wären damit vom Tisch. Und die Bauern müssten keine Sorgen mehr haben, dass „die Sau nach Dänemark abhaut“ – stattdessen gäbe es dänische Regeln auch in Niedersachsen.
Damit haben die Agrarminister trotz aller politischen Differenzen gezeigt, dass auch in Wahlkampfzeiten zumindest bei den groben Linien in der Landwirtschaftspolitik Lösungen möglich sind. Das ist zumindest in Teilen ein gutes Signal für die Landwirte, die von der Politik in Zukunft eher noch stärker abhängig sein werden, als sie es ohnehin schon sind.
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