Der hannoversche Physiker und Atomexperte Wolfgang Neumann fordert die Politik auf, endlich ein vernünftiges Konzept zur Zwischenlagerung von Atommüll zu erarbeiten, auch für die Castoren mit dem hochradioaktiven Abfall. „Der Plan, bis 2031 ein Endlager zu finden, wird nicht gelingen“, sagte Neumann gegenüber dem Politikjournal Rundblick. Selbst wenn die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) die versprochene Bürgerbeteiligung bei der Suche minimal halten würde, wäre der Termin nicht haltbar. Neumann geht davon aus, dass mit der Endlagerung der hochradioaktiven Abfälle frühestens 2070 begonnen werden könne. „Es muss also zwischengelagert werden, darum kommen wir nicht herum.“ Allerdings seien die meisten Zwischenlager darauf ausgerichtet, den Müll höchstens 40 Jahre zu behalten, sie befänden sich deshalb in desolatem Zustand. „Die Politik muss also eine Zwischenlager-Kommission einberufen, die den Verbleib des Atommülls koordiniert, bis das Endlager aufnahmebereit ist“, fordert die Grünen- Landtagsabgeordnete Miriam Staudte.

Lager für hochradioaktiven Abfall müssten besser geschützt werden

Am Montag war bekannt geworden, dass im Zwischenlager Leese (Kreis Nienburg) 400 Fässer mit dem schwach radioaktivem Abfall teilweise stark beschädigt sind. In Leese zeigt sich, wie stark die deutschen Atommüll-Zwischenlager auf eine kurze Verweildauer der Fässer und Castoren ausgerichtet sind, dort geht es um schwach-radioaktive Stoffe. Auch die zwölf Lager für hochradioaktiven Abfall wie abgebrannte Brennelemente sind nicht so geschützt, wie sie es Neumann zufolge sein müssten. Die drei Zentrallager Nord in Gorleben, Ahaus (Nordrhein-Westfalen) und Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) seien nach dem sogenannten WTI-Konzept entstanden, mit Betonmauern von etwa 80 Zentimetern Dicke. „Das ist im Prinzip nur ein besserer Wetterschutz“, sagt Neumann. Denn gegen Katastrophen wie einen Waldbrand oder einen Flugzeugabsturz in der Nähe seien die Castoren dadurch nicht geschützt, zudem könne Strahlung nach außen dringen. Die sechs süddeutschen Standort-Zwischenlager orientieren sich auch am WTI-Konzept, haben aber immerhin unter dem Betonfußboden eine Drainage angelegt, sodass etwa Kerosin nach einem Flugzeugabsturz nicht in die Lagerräume laufen kann. Die sechs norddeutschen Standort-Zwischenlager dagegen, darunter auch an den AKW Grohnde, Linden und Unterweser, wurden nach STEAG-Bauweise errichtet und sind mit 1,2 Meter dicken Betonwänden wesentlich stabiler.

 


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„Grundsätzlich ist die Philosophie, dass der Castor-Behälter alles aushalten muss“, sagt Neumann. Doch vor allem bei so langen Lagerzeiten, wie sie jetzt zu erwarten seien, müsse es Doppelbarrieren geben. Deshalb werde man bei den drei Zentrallagern und den Standortlagern in Süddeutschland nicht um einen Neubau herumkommen. Das eröffnet mehrere Möglichkeiten, wie künftig zwischengelagert werden kann. Die Bundesregierung hatte zuletzt ein großes Zentralzwischenlager ins Gespräch gebracht. Neumann hält das für eine schlechte Lösung. „Dann müssten Tausende Fässer dorthin transportiert werden, und wenn das Endlager bereit ist, wieder abgeholt. Das bedeutet jahrelange Castortransporte quer durchs Land.“ Eine andere Möglichkeit wären fünf größere Zwischenlager, eins je Bundesland, in dem ein Atomkraftwerk stand. „Das sendet zum einen nicht das Signal aus, dass willkürlich der Atommüll verteilt wird“, sagt Neumann. Zum anderen ermögliche es den Neubau von Lagerhallen nach aktuellem, wissenschaftlichen Standard.

Behälter müssen aufgemacht werden

Auf jedem Gelände müsste dann auch eine sogenannte „Heiße Zelle“ gebaut werden. Das sind spezielle Bunkeranlagen, in denen ein Castorbehälter nahezu gefahrlos für die Umwelt geöffnet werden könne. „Solche Anlagen gibt es derzeit nicht, denn man ging davon aus, dass die Behälter nur maximal 40 Jahre bis zur Endeinlagerung über Tage stehen müssen und in dieser Zeit nicht geöffnet werden brauchen“, sagt Neumann. Das funktioniere bei den längeren Zwischenlagerzeiten aber nicht mehr. Man müsse die Haltbarkeit der Behälter und das Verhalten der darin gelagerten Brennelemente sowie des hochradioaktiven Abfalls dauerhaft untersuchen können. „Da reicht es auch nicht, nur ein paar Behälter aufzumachen. Die Untersuchung muss repräsentativ sein.“ Jedoch habe Neumann das Gefühl, die zuständigen Stellen in der Politik duckten sich weg. Die Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte konstatiert: „Im Moment werden diese Fragen einfach ausgesessen statt beantwortet.“ Es sei offensichtlich, dass die Verantwortlichen die öffentliche Debatte so lange hinauszögern wollten, bis die Genehmigungen für die Zwischenlager ablaufen und rasches Handeln nötig wird.