VW-Debatte im Landtag wird Schlagabtausch zwischen Stephan Weil und Sebastian Lechner
Die Debatte über die Regierungserklärung von Ministerpräsident Stephan Weil zur aktuellen Krise von Volkswagen begann am Mittwoch im Landtag staatsmännisch, entwickelte sich dann aber doch zu einer heftigen Kontroverse. Dabei griff Oppositionsführer Sebastian Lechner (CDU) den Regierungschef direkt an. Weil sitze seit 2013 im Aufsichtsrat von VW, er habe dort wichtigen Einfluss. Im September 2017 habe die rot-grüne Landesregierung die starke Ausrichtung auf E-Mobilität beschlossen. „Diese Strategie haben Sie dem Autokonzern aufgedrückt. Das war ein Fehler. Es ist für Sie Zeit, sich zu hinterfragen“, rief Lechner Weil zu. In seiner Regierungserklärung hatte der Ministerpräsident die klare Ausrichtung von VW auf die E-Mobilität verteidigt. Er sagte: „Der Stopp der Verkaufsförderung für Elektroautos durch die Bundesregierung hat zu einem weiteren spürbaren Rückgang des Absatzes gesorgt. Diese Entscheidung war ein Fehler, das ist deutlich zu sehen. Aber Fehler lassen sich korrigieren. Dafür ist es jetzt höchste Zeit.“
Die Debatte entwickelte sich sehr lautstark auf allen Seiten, war von Beifallsbekundungen und Zwischenrufen geprägt. Zunächst trug Weil seine Position vor und beschwerte sich über das Agieren der VW-Spitze, die Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen ins Spiel gebracht hatte. „VW braucht jetzt Lösungen sehr viel mehr als öffentliche Erklärungen. Ich hätte eine solche Kommunikation nicht gebraucht“, sagte Weil. Das Land sei mitverantwortlich für das Unternehmen, am Zuge sei aber jetzt die Geschäftsführung. Am Ende, so Weil, müsse „ein gemeinsamer Weg stehen“. Volkswagen müsse tarifgebunden bleiben. „Alle Möglichkeiten müssen geprüft und für eine Verbesserung der Kostensituation genutzt werden. Eine Schließung von Standorten sehen wir allerdings sehr kritisch.“ Bis Ende November, betonte der Ministerpräsident, hoffe er auf Klarheit. Verkehrt sei es aber, „permanente Zweifel am Kurs in Richtung CO2-Ausstieg und Elektromobilität“ zu äußern. Damit meinte er Lechner und die CDU, ohne diese direkt beim Namen zu nennen.
Der Oppositionsführer hielt Weil falsche Weichenstellungen vor. „Diese Krise ist auch Ihre Krise.“ Viel Verantwortung laste auf dem Aufsichtsrat, und er zweifele, ob Weils Bekenntnis, Niedersachsen müsse „Autoland bleiben“, auch für die Grünen und die Grünen-Ministerin Julia Hamburg im VW-Aufsichtsrat gelte. Die Kosten müssten gesenkt und die schwache Rendite der VW-Kernmarke müsse erhöht werden. Ein solides Fundament für VW sei nötig, aber die CDU erwarte, dass es keine Standortschließungen gibt. „Ob das aber klappt, wenn man auf Teufel komm‘ raus auf die E-Mobilität setzt und keine Alternativen zulässt, ist fraglich.“ Nötig sei eine Technologieoffenheit, denn Verbote brächten nichts. „Das Verbot der Neuzulassung von Verbrennern ab 2035 wirkt doch so: Die Leute nutzen ihren alten Wagen weiter, kaufen kurz vor 2035 dann einen neuen Verbrenner und setzen darauf, dass sie diesen möglichst lange fahren.“ Lechner warb für „machbare, vernünftige und pragmatische Wege, die am Ende gangbar sind“. Die Autohersteller in China und in den USA hätten das längst erkannt und würden noch viel länger auf die Verbrenner-Technik setzen – aber auch auf kombinierte Modelle wie Hybride oder auf den Einsatz von synthetischen Brennstoffen. Einig sind sich Weil und Lechner darin, dass die EU-Vorgabe für den Anteil der E-Auto-Produktion, verbunden mit Strafzahlungen für den Fall der Verfehlung, in der bisherigen Art überzogen seien und korrigiert werden müssten.
Der Auftritt Lechners reizte die Koalitionsfraktionen zu heftigem Widerspruch. Die Argumentation des CDU-Fraktionschefs schüre „Unsicherheit in den Köpfen“, rügte SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne. Die Weigerung der CDU, allein auf E-Mobilität zu setzen, verrate eine technologische Rückständigkeit. „Das ist wie mit der Dampfmaschine und dem Computer C64“, fügte Tonne hinzu. Grünen-Fraktionschefin Anne Kura warf Lechner vor, er betreibe „politische Profilierung auf dem Rücken des Unternehmens“. Der Fehler von VW sei nicht gewesen, zu stark auf E-Mobilität gesetzt zu haben, sondern dies zu spät, zu zaghaft und zu begrenzt getan zu haben. „Der Verbrenner verbrennt die Zukunft“, schloss Kura. Dagegen meinte AfD-Fraktionschef Klaus Wichmann, die VW-Krise liege an der Verengung auf E-Autos, die zu teuer seien, an zu hohen Energiekosten und an der überbordenden Bürokratie in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.
Dieser Artikel erschien am 26.09.2024 in der Ausgabe #168.
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