Vorsitzendenwahl auf dem Sofa: Die CDU geht neue Wege, SPD und Grüne hoffen auf die alten
Alles läuft mit Verzögerung, aber dafür nicht mit weniger Brisanz. Eigentlich wollten SPD und CDU, Grüne, FDP und AfD schon im vergangenen Jahr die Weichen stellen für die regulär fälligen nächsten Wahlen ihrer Vorstände. Doch dann kam Corona dazwischen, und alle Parteien mussten ihre Termine mindestens einmal verschieben. Lediglich Freie Demokraten und AfD haben 2020 die Vorstandswahlen noch absolvieren können. Bei allen übrigen verlief die Terminplanung höchst unglücklich: Immer dann, wenn eigentlich die Wahlen sein sollten, waren die Kontaktbeschränkungen derart weitgehend, dass sie doch nicht ablaufen konnten oder sollten. So stehen nun erst 2021 in mehreren Parteien spannende Entscheidungen bevor.
Das Politikjournal Rundblick liefert hier einen Überblick:
CDU-Landesvorstandswahl: Für den 7. November vergangenen Jahres war alles schon im Detail vorbereitet – als Gastredner sollte Markus Söder kommen, der bayerische Ministerpräsident. Auch andere Größen der CDU hatten sich angesagt. Dann reiften plötzlich Not-Pläne, der Ort wurde von Lingen nach Hannover verlegt, die Grußworte sollten nur noch digital angeboten werden. Sodann wurde über die Aufteilung der Delegierten in vier oder noch mehr regionale Veranstaltungen nachgedacht, die dann zusammengeschaltet werden sollten. Auch das erwies sich am Ende als zu risikoreich. So wird nun am 6. Februar ein Parteitag in völlig neuer Form abgehalten: Alle Delegierten werden per Videotechnik zugeschaltet, stimmen dann digital ab und sichern so das Ergebnis. Da eine reine digitale Wahl nach dem Wahlgesetz (noch) nicht erlaubt ist, müssen die Delegierten anschließend ihre Stimme noch auf einem Zettel aufschreiben, eintüten und per Post an die CDU-Landesgeschäftsstelle schicken. In der Zusammensetzung des Landesvorstandes dürfte sich wenig ändern, Vorsitzender Bernd Althusmann bewirbt sich zum zweiten Mal um eine Wiederwahl. Bei seiner ersten Kür zum CDU-Landeschef 2016 hatte er 98 Prozent Zustimmung erhalten. Die Wiederwahl im September 2018, damals ein knappes Jahr nach der enttäuschenden Landtagswahl, fiel mit 83 Prozent wesentlich schlechter aus. Im weiteren Vorstand treten die Stellvertreter Fritz Güntzler (Göttingen) und Reinhold Hilbers (Grafschaft Bentheim) wieder an, ebenso Schatzmeisterin Barbara Havliza (Osnabrück). Da Vize-Parteichefin Maria Flachsbarth (Hannover) aus dem Bundestags ausscheidet, dürfte sie auch nicht wieder für den CDU-Landesvorstand antreten. Die 35-jährige Europaabgeordnete Lena Düpont (Uelzen) dürfte ihren Platz einnehmen. Als neuer Generalsekretär soll auch formal Sebastian Lechner (Neustadt) das Amt von Kai Seefried (Stade) übernehmen. Das Besondere an diesem CDU-Landesparteitag ist auch die Terminwahl: Der 6. Februar 2021 ist der 45. Jahrestag der endgültigen Wahl von Ernst Albrecht zum niedersächsischen Ministerpräsidenten im Landtag. Albrecht wurde 1976 der erste CDU-Politiker als Regierungschef in Niedersachsen, er wurde seinerzeit mit der Hilfe von Überläufern aus den Reihen der SPD/FDP-Koalition ins Amt gewählt.
Probelauf beim CDU-Bundesparteitag: Die Wahl eines neuen Landesvorstandes im digitalen Format ist ein Novum in der niedersächsischen Parteiengeschichte – und eine Folge der Änderungen des Vereins- und Parteienrechts auf Bundesebene in der Auswirkung der Corona-Krise. In Niedersachsen hat auch das Landvolk auf ähnliche Weise, allerdings abgespeckt, den neuen Präsidenten bestimmt. Die Niedersachsen-CDU orientiert sich in ihrem Vorgehen am Vorbild der Bundespartei, die just drei Wochen vor dem Termin ebenfalls über einen Digital-Parteitag den neuen CDU-Bundesvorsitzenden ins Amt hievt. Der CDU-Landesparteitag am 6. Februar wird auch inhaltlich sehr stark vom Ergebnis dieser Wahl auf Bundesebene geprägt sein. Wie aus der Niedersachsen-CDU zu hören ist, gibt es keinen klaren Favoriten für die Spitzenposition. Es heißt, die Anhängerschaft von Friedrich Merz und Armin Laschet mache jeweils rund 40 Prozent der CDU-Mitglieder in Niedersachsen aus, die restlichen 20 Prozent neigten dem dritten Kandidaten Norbert Röttgen zu. Die Fans von Merz seien in den eher konservativen Gegenden der CDU zu finden – also Braunschweig, Region Celle-Lüneburg, Osnabrück-Land und Süd-Oldenburg. In den stärker städtisch geprägten, häufig auch liberaler ausgerichteten Bereichen habe Laschet die besseren Karten, so in Hannover, Oldenburg, Göttingen, Emsland und Ostfriesland.
SPD hofft noch auf einen Präsenzparteitag: Die SPD leistet sich den größten zeitlichen Abstand zum ursprünglichen Plan. Eigentlich hatte sie geplant, am 18. April 2020 in Lüneburg den neuen Landesvorstand zu wählen. Hier sieht es ähnlich aus wie bei der CDU, der Vorsitzende tritt erneut an, die Position des Generalsekretärs wird neu besetzt und im Umkreis der Stellvertreter gibt es leichte Veränderungen. Ebenso wie Sebastian Lechner bei der CDU ist auch die neue SPD-Generalsekretärin Hanna Naber (Oldenburg) schon kommissarisch im Amt. Der Termin für den neuen Parteitag, den die SPD jetzt ins Auge gefasst hat, ist der 29. Mai, Tagungsort soll Hildesheim sein. Die SPD will rund um diesen Termin gleich die nächste große Aufgabe dieses Jahres erledigen, nämlich die Aufstellung der Kandidatenliste für die Bundestagswahl. Als SPD-Zugpferde für den Bundestagswahlkampf gelten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (Peine), SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil (Walsrode) und SPD-Bezirkschef Matthias Miersch (Laatzen). In etlichen Wahlkreisen stehen die Kandidaturen bisher allerdings auch noch nicht fest. Ohne große Spannung wird das Ergebnis der Vorsitzendenwahl für SPD-Landeschef Stephan Weil erwartet, denn er bekommt gemeinhin stets gute Ergebnisse in der Partei. Im April 2018, als er das letzte Mal wiedergewählt wurde, sprachen sich 94,1 Prozent der Delegierten für Weil aus.
Grüne entscheiden im Juni: Die niedersächsischen Grünen wollen die Wahl des neuen Vorstandes auf Ende Juni verlegen. Nach bisherigen Informationen tritt das Team der beiden Vorsitzenden Anne Kura (Osnabrück) und Hans-Joachim Janßen (Wesermarsch) wieder an. Beide werden dem linken Flügel bei den niedersächsischen Grünen zugerechnet. Für die Position des männlichen Vorsitzenden bewirbt sich der Göttinger Mathis Weselmann, der den OB-Wahlkampf von Belit Onay gemanagt hatte und in Hannover arbeitet – er wird dem Realo-Lager zugeordnet. Spannung verspricht bei den Grünen noch die Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl, die eigentlich für März geplant war, sich aber vermutlich noch weiter verzögert. 2017 standen Julia Verlinden (Lüneburg) und Jürgen Trittin (Göttingen) an der Spitze. Das könnte auch jetzt wieder so kommen. Im vorderen Feld der Bewerber dürften noch Filiz Polat (Osnabrück), Sven-Christian Kindler (Hannover) und Katja Keul (Nienburg) rangieren, als Neueinsteiger treten der frühere Verdi-Chef Frank Bsirske und die Landtagsabgeordneten Stefan Wenzel (Göttingen) und Helge Limburg (Hannover) an. (kw)