Vorbild Bielefeld: Wie eine Stiftung vielversprechende Gründer fördert
Von Martin Brüning
In Bielefeld residiert die Zukunft direkt neben der klassischen Moderne. Und den Platz für hippe Gründer und deren Start-up-Kultur mitten in der City schuf ausgerechnet ein alteingesessener Bauunternehmer aus Ostwestfalen, dessen Firma mit Start-up-Kultur in etwa so viel zu tun hat wie Bielefeld mit Berlin. Der Bauunternehmer Ortwin Goldbeck zog direkt hinter der Villa der alten Handwerkskammer, die heute ein Museum ist, ein mehrgeschossiges Gebäude hoch, wie es sich junge Gründer wünschen: große Fensterflächen, cooler Sichtbeton, viel Metall – ein bisschen wie eine alte Fabriketage, nur eben neu.
Wer durch das Gebäude mitten in Bielefeld läuft, könnte sich auch mitten in New York wähnen. Einziger Mieter ist die „Founders Foundation“, eine Stiftung für Gründer, die von der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh finanziert wird und unternehmerische Talente anziehen, unterstützen und mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor Ort zusammenbringen will. Gerade laufen die letzten Arbeiten im Gebäude. Das knapp 20-köpfige Team der „Founders Foundation“ ist aber schon vor Ort am Werk.
Die Bar im Erdgeschoss könnte auch in einem Club in Berlin-Mitte stehen
Jannis Johannmeier, Sprecher der „Founders Foundation“, kann seine Begeisterung über das Gebäude kaum zügeln. Wer mit ihm alle Stockwerke von unten nach oben besichtigt, bekommt mit, wie das Projekt in Bielefeld funktioniert. Im Erdgeschoss gibt es einen Eventbereich, in dem es immer wieder Vorträge, zum Beispiel von erfolgreichen Gründern, geben soll. Aber auch Gespräche mit Vertretern der alteingesessenen mittelständischen Industrie sollen hier möglich gemacht werden. Die Bar in dem großen Raum könnte aus den 50ern stammen und genauso gut irgendwo in Berlin-Mitte stehen. Wenn im Erdgeschoss Gründer-Talente identifiziert werden, geht es für sie im ersten Stock des Gebäudes weiter, der sogenannten „Founders Academy“.
Hier soll sich zum einen erweisen, ob das gefundene Talent mit einer guten Gründungsidee mit Begeisterung bei der Sache ist und auch wirklich gründen möchte. Zum anderen bekommen die potenziellen Gründer ein mehrwöchiges Programm mit Grundlagenwissen und kommen auch immer wieder in Kontakt zu erfolgreichen Gründern, zum Beispiel aus Berlin oder auch Israel. Erst wer das übersteht und bei dessen Projekt weiterhin Potenzial gesehen wird, kommt ein Stockwerk weiter nach oben. „Dort ist das Herzstück der Start-up-Ausbildung, sechs Monate, rund um die Uhr, volles Ballett“, sagt Johannmeier.
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Die Rede ist vom Accelerator, dem Beschleuniger. Im Vergleich zu anderen Acceleratoren, zum Beispiel bei der Berliner Start-up-Schmiede Rocket Internet, wird hier von den Gründungsinteressierten kein Geld genommen. Woanders sind potenzielle Gründer an dieser Stelle bereits die ersten zehntausend Euro los, hier übernimmt die Bertelsmann-Stiftung die Kosten der Ausbildung. Ziel ist es, die Projekte der jungen Gründer bis zur Marktreife zu entwickeln. Seit über zwei Jahren macht man das in der „Founders Foundation“. „14 von 18 Start-ups sind noch am Markt“, berichtet Johannmeier. Am schwierigsten sei es für die Gründer gerade in Deutschland, an das nötige Kapital zu kommen. Die Start-ups der „Founders Foundation“ hätten bisher sechs Millionen Euro an Risikokapital eingenommen und über 180 Arbeitsplätze in der Region geschaffen.
„Wenn wir morgen nach Hause gehen und keiner mehr hier arbeitet, bleibt dennoch die Flamme brennen, wenn auch auf kleinem Niveau“, sagt Sebastian Borek, Geschäftsführer der „Founders Foundation“. Ihn trifft man auf der Arbeitsebene des Modellprojekts im obersten Stockwerk. Einzelbüros sucht man hier vergeblich. Es dominieren große Tische, an die sich jeder mit seinem Notebook setzen kann, gemütliche Ecken mit Sesseln und Sofas und ein großer Küchenbereich mit einer riesigen Kaffeemaschine, die auch in einem italienischen Café stehen könnte. Die Mitarbeiter wurden sogar in die Kunst des Kaffeezubereitens eingewiesen, „Wir haben dafür alle einen Barista-Kurs bekommen“, erklärt Johannmeier.
Borek spricht beim Projekt der „Founders Foundation“ von gemeinnütziger Arbeit. „Das kann man nicht kurzfristig wirtschaftlich rechnen. Es rechnet sich erst langfristig.“ Aber stimmen müssen Zahlen und Konzept natürlich schon. Anders als in Berlin setzt man bei Gründungen nicht auf neue Lösungen, die direkt den Konsumenten Nutzen bringen, sondern auf sogenannte B-to-B-Lösungen. Das steht für Business-to-Business. „In Ostwestfalen wird nicht das nächste Zalando entstehen, dafür wird es aber Lösungen geben, die den großen Unternehmen bei ihrer Digitalisierung helfen könnten. Das stärkt dann auch die deutsche Volkswirtschaft nachhaltig“, sagt Borek.
In der Region gebe es eine starke mittelständische Wirtschaft, darunter Unternehmen wie Miele und Dr. Oetker. Das Konzept müsse immer zur jeweiligen Region passen, meint Borek. „Wenn ich Tomaten und einen Kürbis habe, kann ich eine Tomaten-Kürbis-Suppe daraus kochen. Wenn ich aber damit anfangen will, daraus eine Zwiebelsuppe zu machen, wird es schwierig.“
Borek sieht die „Founders Foundation“ als unabhängigen Vertreter zwischen den Interessen und Parteien. Unternehmer suchten digitale Talente, die Hochschulen wollten ihren Studenten das Unternehmertum nahebringen. Letzteres gelingt häufig nicht. „Die Incentivierung der Professoren und die Struktur der Universitäten ist nicht darauf ausgelegt, Unternehmertalente zu fördern“, so Borek. Immer wieder spricht er von einem Ökosystem, das die Foundation mit ihrer Arbeit schaffen wolle, und das sich in ein paar Jahren selbst tragen soll. Er selbst würde dann gerne in acht Jahren wieder etwas Unternehmerisches machen, sagt der Foundation-Geschäftsführer. „Bis dahin muss das Ökosystem die Kraft haben, Miete und Gehälter selbst zu finanzieren.“
Seedhouse in Niedersachsen hilft Gründern
Und in Niedersachsen? Eine „Founders Foundation“ wie in Ostwestfalen gibt es hier nicht, dafür aber kleinere Projekte. Borek nennt als positives Beispiel das Seedhouse in einem Osnabrücker Wissenschaftspark, eine Public-Private-Partnership mit jeweils 200.000 Euro finanziert durch das Land, die Sparkasse Osnabrück und zahlreichen Unternehmen aus der Region.
Ein Fokus liegt der Region gemäß auf Gründungen aus dem Bereich Ernährung und Agrarwirtschaft. „Wir wollen unter anderem erreichen, dass junge Talente entweder bei uns in der Region bleiben oder auch aus Berlin zu uns in die Region kommen“, sagt Start-up-Manager Tim Siebert im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. 200.000 Euro für ein Start-up-Center sei zwar nicht viel Geld, dennoch sei die Initiative des Landes ein „Wachrüttler“ gewesen, der viel losgetreten habe, sagt Siebert. Mit dem Geld ließe sich das Seedhouse drei bis vier Jahre finanzieren.
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In den nächsten Monaten will die NBank die Start-up-Initiative des Landes evaluieren, damit die Politik bei den nächsten Haushaltsberatungen entscheiden kann, wie es weitergeht. Eine „Founders Foundation“ wie in Bielefeld wird es in Niedersachsen dann voraussichtlich immer noch nicht geben. Barista-Kurse und Landespolitik – in Niedersachsen passt das wohl irgendwie nicht zusammen.