Viel Aufwand, wenig Ertrag: Die mühevolle Jagd nach den Graumarkt-Glücksspielern
Der Glücksspielmarkt wächst. Und er wächst auch an Stellen, an denen er eigentlich gar nicht wachsen dürfte. Zahlen der Glücksspielaufsichtsbehörden zufolge findet Glücksspiel zu 22 Prozent im unregulierten Markt statt. Die Bruttospielerträge lagen in diesem Bereich bundesweit zuletzt bei drei Milliarden Euro. Darunter sind allerdings nur die Glücksspiele, von denen die Behörden auch wissen. Wie groß der Graumarkt wirklich ist und welche Summen insgesamt fließen, lässt sich nur schwer ausmachen. Um dem wachsenden Graumarkt beizukommen, versuchen es die Behörden mit dem sogenannten Payment Blocking. Ziel ist dabei, dass der Zahlungsverkehr zwischen Spieler und Glückspielanbieter geblockt wird, ein nicht ganz einfaches und unter Juristen auch umstrittenes Verfahren.
Stefan Wenzel, Landtagsabgeordneter der Grünen, wollte es kürzlich genauer wissen. Wie häufig das Payment Blocking denn eingesetzt wurde, fragte er das Innenministerium. Die Antwort: Das Ministerium habe Maßnahmen mit dem Ziel der Zahlungsunterbindung bei 17 Zahlungsdienstleistern eingeleitet. Von ihnen hätten „neun Unternehmen den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel nachweislich eingestellt. Bei zwei Anbietern läuft ein interner Prüfprozess mit positiver Tendenz. Mit drei Anbietern wird noch rege korrespondiert“, heißt es in der Antwort auf Wenzels Anfrage. Weitere Maßnahmen seien in Vorbereitung.
Das Ministerium sieht mit dem Payment Blocking einen Nerv bei den Graumarkt-Anbietern getroffen. Das werde auch dadurch deutlich, dass betroffene Anbieter um gerichtlichen Eilrechtsschutz ersucht hätten. Inzwischen seien die Anträge von den Anbietern allerdings zurückgenommen worden.
Es wird davon ausgegangen, dass ein relevanter Anteil des Kundenstammes eines Glücksspielanbieters das Spielangebot nicht mehr wahrnimmt, wenn der gewohnte Zahlungsweg nicht mehr zur Verfügung steht.
Es ist ein mühsames Unterfangen für das Ministerium, das die Lücke zwischen Glücksspiel-Gesetzgebung und der Realität des Internets zu schließen versucht. Kein Wunder, dass sich die kleine Zahl von Graumarktjägern im Ministerium wünscht, dass der Vollzug gegen unerlaubtes Glücksspiel gestärkt wird. Schließlich versuchen Anbieter immer wieder, dem Payment Blocking zu entkommen.
Im Zuge des Monitorings sei beobachtet worden, „dass in Einzelfällen die betroffenen illegalen Online-Glücksspielanbieter die mit ihnen kooperierenden Zahlungsdienstleister gewechselt haben“, teilt das Innenministerium auf Rundblick-Nachfrage mit. Die niedersächsische Glücksspielaufsicht gehe diesen Fällen nach und fordere auch den neuen Zahlungsdienstleister zur Einhaltung des Mitwirkungsverbotes auf. „Es wird davon ausgegangen, dass ein relevanter Anteil des Kundenstammes eines Glücksspielanbieters das Spielangebot nicht mehr wahrnimmt, wenn der gewohnte Zahlungsweg nicht mehr zur Verfügung steht.“
Banken bräuchten Standortdaten
Experten sehen die Maßnahme allerdings kritisch. Datenschützer beklagten bereits eine „Rasterfahndung“ gegen Glücksspiel-Kunden, schließlich sei gar nicht klar, ob der Kunde überhaupt wirklich illegal gespielt habe, schließlich könnte er zu dem Zeitpunkt zum Beispiel in Schleswig-Holstein oder einem anderen EU-Land gewesen sein, wo die Spielteilnahme erlaubt ist. Das herauszufinden überlassen die Behörden den Banken. Schließlich seien sie diejenigen, denen der Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten sei.
„Es ist nicht Aufgabe der niedersächsischen Glücksspielaufsicht, den Zahlungsdienstleistern vorzugeben, wie sie dieses Verbot umsetzen“, so das Innenministerium. „Die Wahl der geeigneten Mittel, um diesem Verbot nachzukommen, obliegt dem Zahlungsdienstleister.“
Die Banken müssten allerdings schon Einblick in die Standortdaten ihrer Kunden haben, um sicherzugehen, dass wirklich illegal gespielt wurde. Diese dürfen den Banken nach Meinung von Datenschutzrechtexperten allerdings gar nicht vorliegen. Auch an dieser Stelle sieht sich das Ministerium nicht in der Verantwortung. Weder erhebe noch verarbeite das Innenministerium im Zusammenhang mit der Aufgabe der Zahlungsunterbindung personenbezogene Daten. Dies sei auch zur Umsetzung der Maßnahmen nicht erforderlich. Die Datenschutzproblematik liegt damit bei den Finanzdienstleistern.
Bund will mit dem Glücksspiel lieber nichts zu tun haben
Möglichst wenig selbst mit den Problemen der Glücksspielgesetzgebung zu tun haben: das ist nicht nur das Ziel der Landesbehörden, sondern auch des Bundes. Vor wenigen Wochen wollte die FDP-Bundestagsfraktion nähere Informationen von der Bundesregierung zu Berichten über eine bundesweite Aufsichtsbehörde für Online-Casinos und Online-Wettanbieter. Die Antwort: der Bundesregierung liegen keine Kenntnis darüber vor. Überhaupt habe man mit der Glücksspielregulierung nichts zu tun, das sei schließlich Aufgabe der Länder.
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Die tun sich allerdings nach wie vor schwer. „Der Glücksspielstaatsvertrag ist gescheitert“, heißt es denn auch in einem gemeinsamen Positionspapier der FDP-Landtagsfraktionen. Sie schlagen vor, sich an Schleswig-Holstein zu orientieren, für Online-Glücksspielanbieter Lizenzen zu vergeben und die neue Regulierung dann mit einer entsprechend ausgestatteten Behörde der Länder zu kontrollieren.
Dann sehen die Liberalen auch im Payment Blocking kein Problem mehr. Die konzessionierten Anbieter könnten ein zuverlässiges Verfahren durchlaufen, um Transaktionen zu kontrollieren. Um den schwarzen Schafen effektiv beizukommen, gäbe es dann bei der neuen Behörde genügend Daten und finanzielle Mittel. Deutlich mehr Mittel, weniger Datenschutz-Probleme: für die Graumarktjäger bei Banken und Behörden könnte das verlockend klingen. (MB.)