Der Hals kratzt, die Nase läuft oder im Bauch fühlt es sich an wie eine tektonische Verschiebung? Ja, was machen Sie dann noch hier? Dafür, was gerade wieder zahllose hustende und fiebernde Arbeitnehmer ins Büro treibt, gibt es einen Begriff: Präsentismus. Erfunden hat ihn schon 1955 der Arbeitswissenschaftler Auren Uris. Der meinte damit allerdings etwas Gutes, eine unverwüstliche Arbeitsmoral, die man dem „Absentismus“, im Volksmund auch Krankfeiern genannt, entgegensetzen müsse.

Frau arbeitet am Laptop mit Decke und Handschuhen
Erkältet? Dann ab ins Bett! | Foto: GettyImages/alvarez

Inzwischen dämmert es Fachleuten, dass der Schaden, den Präsentismus anrichtet, größer sein könnte als der, der durch Absentismus entsteht. Sie wissen, was ich meine – spätestens, wenn Ihre Kollegin alle quer über den Konferenztisch anschnieft. Laut einer Studie der Techniker Krankenkasse ist die Neigung zum Präsentismus im Gesundheitswesen mit am höchsten – gerade da also, wo ein dröhnender Kopf und zittrige Hände die fatalsten Folgen haben können.

Die Hitliste der Gründe für Präsentismus


Warum machen Leute das? Die Techniker Krankenkasse hat eine Hitliste der Gründe erstellt. Fangen wir mal hinten an, wie bei jeder guten Hitliste. Auf Platz 14 landet die Angst vor beruflichen Nachteilen. Knapp davor, Platz 13: Angst, an Ansehen einzubüßen. Dass es die Ängste nicht mal unter die Top Ten schaffen, ist ein gutes Zeichen, oder? Bedenklicher finde ich Platz 8: „Ich möchte selbst entscheiden, wann ich arbeite und wann nicht.“ Hm, es gab eine Zeit, da hat uns ein Virus unser ganzes Leben diktiert. Aber was für einen Sinn hat es, einem Virus etwas beweisen zu wollen? Neulich sprach ich mit einer Psychoanalytikerin. Davon berichte ich im Rundblick demnächst mal ausführlicher. Sie sagte, seit dem Ende der Pandemie beobachte sie ein „Autonomiestreben über das gesunde Maß hinaus“. Vielleicht kann Psychoanalyse ja auch den Zustand der Ampelkoalition erklären?
 
Die Zerrissenheit der Ampel wirft ihre Schatten auch nach Niedersachsen. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) setzt wie ihre Parteifreundin Nancy Faeser auf Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP lehnt das ab. Rückenwind bekam er heute ausgerechnet von seiner niedersächsischen Kollegin und SPD-Politikerin Kathrin Wahlmann. Sie und Buschmann hoffen auf das „Quick-Freeze-Verfahren“. Was das ist (Spoiler: Es hat nichts mit Erkältungskrankheiten zu tun!) und was die Gifhorner EU-Parlamentarierin Lena Düpont an der Ampel nervt, erfahren Sie gleich im Rundblick.

Arbeiten und Beten – ist das Niedersachsen?


Wetten, Sie wären nicht auf Platz 5 der Präsentisten-Argumente gekommen? „Weil ich gerne zur Arbeit gehe!“ Ein Job, der besser ist als ein kuscheliges Sofa und eine gemütliche Tasse Tee, ist nun wirklich der Hauptgewinn. Welchen Stellenwert Arbeit in der Gesellschaft hat, spiegelt nicht zuletzt die Zusammensetzung der Rundfunkräte. Hier reden Unternehmerverbände und Gewerkschaften ein gewichtiges Wort mit, ebenso wie die Kirchen. Arbeiten und Beten – ist das Niedersachsen? Der Verein „Neue deutsche Medienmacher“ meint jedenfalls, dass diese Gruppen im NDR-Rundfunkrat überrepräsentiert sind.
 
Damit sind wir bei Platz 1 angekommen: „Es gab keine Vertretung.“ Das müsste sich doch lösen lassen, liebe Chefs und Chefinnen! Niemand kann so wichtig oder so unwichtig sein, dass er nicht vertreten werden kann. Und da wir gerade bei gesundheitlichen Risiken sind, lege ich Ihnen schnell noch die Analyse von Niklas Kleinwächter zum Glyphosat-Verbot ans Herz.
 
Kommen Sie heil durch den Dienstag!
Ihre Anne Beelte-Altwig