Verlängert der Landtag „epidemische Lage“ um Kommunalverfassung zu umgehen?
Der FDP-Fraktionschef im Landtag, Stefan Birkner, hegt einen Verdacht: Er hat Hinweise, dass die Landesregierung die „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“ am Dienstag im Landtag nur deshalb verlängern lassen will, weil damit ein Problem der Kommunalverfassung umgangen werden soll. „Das hat vermutlich mit dem Infektionsschutz gar nichts zu tun. Aber einen solchen Weg lehnen wir ab“, sagte Birkner am Montag vor Journalisten.
Aus seiner Sicht liegt das Motiv der SPD/CDU-geführten Landesregierung nicht im reinen Infektionsschutz, wie er sich im Tragen von Masken oder in Kontaktbeschränkungen ausdrückt. Vielmehr wolle die Landesregierung eine rechtliche Basis dafür haben, dass in den Räten und Kreistagen auch weiterhin hybride Sitzungen mit Video-Zuschaltung von Teilnehmern möglich bleiben können. Zudem wolle sie eine Regelung dafür, dass die Kommunen weiterhin im vereinfachten Verfahren ihre Haushalte aufstellen können. Bisher stützen sich diese Ausnahmevorschriften auf das Bundesinfektionsschutzgesetz und die Feststellung, dass in Niedersachsen noch eine epidemische Lage gilt. In solchen Fällen erlaubt die Kommunalverfassung Ausnahmen. Da diese Regel der epidemischen Notlage aber am 6. März ausläuft, ist eine Verlängerung nach Bundesinfektionsschutzgesetz unabdingbar.
Gesetzentwurf für Video-Zuschaltung liegt bereits vor
Was Birkners Verdacht bestärkt, ist eine enorme Verzögerung im eigentlich geplanten Ablauf der Koalitionsplanung. Schon im Herbst vergangenen Jahres, direkt nach der Kommunalwahl, wollten SPD und CDU im Eiltempo eine Vorschrift in die Kommunalverfassung schreiben, die auch ohne Vorbedingung einer epidemischen Notlage eine Video-Zuschaltung von Ratsmitgliedern und Kreistagsabgeordneten zu Sitzungen möglich machen sollte. Damals lehnten die Kommunalverbände es jedoch ab, auf die Schnelle dazu eine qualifizierte Stellungnahme abzugeben. Folglich wurde das Vorhaben aufgeschoben. Jetzt ist es Mitte Februar, und der vorformulierte Gesetzentwurf liegt vor, allerdings soll die offizielle Beteiligung der Kommunalverbände auch erst am 3. März sein, der Landtag könnte dann frühestens Ende März darüber befinden. Dann würde aber zwischen 6. März (Ende der epidemischen Notlage) und Ende März eine Zeitspanne liegen, in der die Rechtsgrundlage für solche Verfahren fehlen würde.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Sonder-Vorschrift nach Infektionsschutzrecht wegen der damit verknüpften Ausnahmesituation nicht so strengen rechtlichen Blicken ausgesetzt ist wie die geplante dauerhafte Regelung. Bisher ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass eine Ratssitzung abgebrochen werden muss, wenn die Verantwortung für technische Fehler im Netz der Kommune liegt. Sollten aber einzelne zugeschaltete Ratsmitglieder die Technik nicht beherrschen oder daheim eigene technische Mängel haben, liege die Verantwortung bei ihnen selbst – und die Sitzung müsste nicht abgebrochen werden. Die spannende Frage ist aber, wie sicher die Ursache zu klären ist, zumal man einzelnen Ratsmitgliedern auch unterstellen könnte, dass sie eine wichtige Ausschusssitzung absichtlich boykottieren wollen. Im Gesetzentwurf vorgesehen ist zudem, dass jede Kommune in der Hauptsatzung selbst mit Zweidrittelmehrheit festlegen müsste, ob sie Video-Zuschaltungen überhaupt ermöglichen will oder nicht.
„Das Infektionsschutzrecht ist nicht dafür da, kommunalverfassungs- rechtliche Probleme zu lösen.“
Stefan Birkner
Die FDP, sagt Birkner, betrachtet die Pläne der Koalition zur Verlängerung der „epidemischen Lage von landesweiter Tragweite“ mit Skepsis – vor allem dann, wenn damit ein Schwachpunkt in der geplanten Kommunalverfassungsnovelle ausgebügelt werden soll. „Das Infektionsschutzrecht ist nicht dafür da, kommunalverfassungsrechtliche Probleme zu lösen“, betont der Landesvorsitzende.
FDP will LNG-Technologie nutzen: Birkner spricht sich dafür aus, die Möglichkeiten für Flüssiggas- Importe zu verbessern – und die geplanten Terminals in Wilhelmshaven und Stade dafür schnell be- triebsfertig zu machen. Das sei nicht zuletzt deshalb sinnvoll, damit die Erdgasspeicher wieder angefüllt werden könnten. Die Landesregierung habe das Thema angeschoben, sei dann aber zu schnell auf die Wasserstoff-Strategie umgeschwenkt. „Wasserstoff ist wichtig, aber Erdgas muss auch weiter genutzt werden“, betont Birkner.
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