Im Landtag verdichten sich die Hinweise, dass die Ursache für die unfreiwillige Enttarnung eines V-Mannes nicht im persönlichen Fehlverhalten eines einzelnen liegt, sondern in den organisatorischen Abläufen in der Behörde. Damit wächst der Druck auf Innenminister Boris Pistorius (SPD), seine Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger zu entlassen. Als politische Beamtin kann Brandenburger ohne Angaben von Gründen jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.

Die Oppositionsabgeordneten Stefan Birkner (FDP) und Klaus Wichmann (AfD) haben bereits die Ablösung von Brandenburger gefordert. Birkner sagte gestern, nach einer vertraulichen Unterrichtung im zuständigen Landtagsausschuss, dass sich „die Anzeichen auf ein Organisationsversagen der Behörde erhärten“. Die politische Führung trage die Verantwortung und müsse endlich handeln. Die Grünen-Abgeordnete Julia Hamburg will sich der Forderung noch nicht anschließen, betont aber: „Viel hängt jetzt davon ab, wie die Spitze des Innenministeriums diese Krise managen wird.“

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Offiziell äußern sich weder Verfassungsschutz noch Innenministerium zu den Details. Wie zu erfahren ist, haben sich die Ereignisse so abgespielt: Ein Linksextremist aus Göttingen, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, hatte beim Verwaltungsgericht Hannover geklagt. Er forderte, in die Unterlagen, die in der Behörde über ihn gespeichert sind, Einblick nehmen zu können. Da der Verfassungsschutz mit derartigen Anfragen aus der linken Szene überhäuft wird, hat die Behörde vor gut einem Jahr das interne Verfahren geändert. Früher haben mehrere Mitarbeiter in den Akten jede Seite geprüft und nachgeschaut, ob in den Berichten Hinweise enthalten sind, aus denen der Extremist ableiten könnte, wer ihn beobachtet hat. Problematische Teile müssten dann unkenntlich gemacht werden. Inzwischen aber nutzt das Landesamt ein digitalisiertes Verfahren, die Akten werden eingescannt und automatisch dort geschwärzt, wo beispielsweise V-Leute erwähnt werden.

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Dieses zeitsparende Verfahren erfordert es aber, dass später ein Mitarbeiter noch einmal nachschauen muss, ob neben der Schwärzung von Namen noch verräterische Schilderungen von Abläufen herausgenommen werden müssen. Im konkreten Fall ist dieser letzte Schritt offenbar unterblieben. Der Vize-Leiter des Rechtsreferates, der wegen Verhinderung seiner Vorgesetzten zuständig war, hatte offenbar die Bearbeitung der Akte einer erst seit kurzer Zeit dort tätigen Mitarbeiterin überlassen. Diese soll es dann unterlassen haben, die die Blätter mit den brisanten Passagen der Akte zu entnehmen. Damit bekam der Linksextremist Sachverhalte übermittelt, aus denen er Rückschlüsse auf den V-Mann ableiten konnte.

War das nun das persönliche Versagen einer einzelnen, unerfahrenen Beamtin? Die Nachforschungen im Landtagsausschuss sollen enthüllt haben, dass es mehrere Organisationsmängel gab: Es habe eine Dienstanweisung gefehlt, wie diese Akten zu bearbeiten sind. Es seien bisher wohl auch keine Kopien der Akten angefertigt worden, bevor man sie an die Verwaltungsgerichte geschickt hat. In diesem Jahr hat es bisher 23 solche Verfahren gegeben. Bis gestern war angeblich im Verfassungsschutz noch unklar, ob nicht noch weitere derartige Pannen passiert sind. Pikant sind auch Berichte darüber, dass der enttarnte V-Mann sich schon am Sonntag bei seinem V-Mann-Führer meldete und berichtete, die linke Szene sei ihm auf der Spur. Am Montag gab dann die „Basisdemokratische Linke“ eine Presseerklärung heraus und stellte ihn an den Pranger. Am Mittwochmorgen berichtete Pistorius zu Beginn der Landtagssitzung darüber, noch keine Details zu kennen. Bisher unklar bleibt, wann genau der Verfassungsschutz sein zwischenzeitlich wirksames Schutzprogramm für den enttarnten V-Mann gestartet hat.