Darum geht es: Heute ist Weltfrauentag und für die deutschen Frauen zudem noch ein besonderer Anlass: Vor 100 Jahren durften Frauen zum ersten Mal wählen.  Ein Kommentar von Isabel Christian.

Es ist genau ein Jahr her, da hat an dieser Stelle im Rundblick schon mal ein Kommentar zum Weltfrauentag gestanden. Der Kern dieser Meinung ging dahin, dass wir eigentlich keinen Frauentag brauchen, sondern einen „Tag der Chancengleichheit“. Frauen und Männer sollen in allen Belangen des Lebens gleich behandelt werden. Dabei bleibe ich. Doch das vergangene Jahr hat mir persönlich gezeigt, wie wichtig Feminismus auch im Jahr 2018 noch ist. Frauen haben zwar theoretisch nahezu die gleichen Rechte und Pflichten wie Männer, doch in der Gesellschaft werden Frauen nach wie vor benachteiligt. Und das in der Regel nicht einmal bewusst, sondern einfach, weil es so Usus ist. Ein paar Beispiele:

Politik:

Es war eine der großen Überraschungen bei der Landtagswahl. Erstmals seit Langem ist die Zahl der Frauen im niedersächsischen Landtag unter 30 Prozent gefallen. Mit 28,5 Prozent sind nicht einmal ein Drittel der Abgeordneten weiblich. Dabei leben in Niedersachsen sogar fast 100.000 Frauen mehr als Männer, wie aus Statistiken hervorgeht. Die neu ins Parlament gewählten weiblichen Abgeordneten habe ich daraufhin gefragt, wie man mehr Frauen für ein politisches Amt gewinnen kann. Die einhellige Meinung: Es braucht mehr Vorbilder und mehr Bestärkung. Frauen zweifeln mehr und öfter an sich selbst und ihren Fähigkeiten als Männer es tun. Daher müssen Frauen dazu ermutigt werden, aus ihren Komfortzonen zu treten, aktiv an der Politik teilzunehmen und sich auch in Themenbereichen zu profilieren, die sonst eher als Spielfelder der Männer gelten. Innere Sicherheit zum Beispiel. Deshalb würde es sich lohnen, es mit der Frauenquote mal zu versuchen. Denn dann müssen sich die Parteien – die an der Spitze in der Regel von Männern vertreten werden – stärker mit der Förderung von Frauen befassen. Und sie müssten auch ihr in der Regel unbewusstes Verhalten überdenken, sich eher mit männlichen Kollegen zusammenzutun und sich an denen zu messen als an den weiblichen. Die jetzige Förderung und Anerkennung reicht nämlich offenbar nicht aus, sonst gäbe es ja mehr Politikerinnen im Landtag.

Wirtschaft und Arbeit:

Hier gilt im Prinzip dasselbe wie für die Motivation zur politischen Mitgestaltung. Frauen müssen ermutigt werden, ihre Zweifel beiseite zu wischen und sich auch beruflich mehr zuzutrauen. Denn wie bei den Politikerinnen sind auch knapp ein Drittel der Unternehmensgründer weiblich, wie neuste Zahlen des Landesamts für Statistik belegen. Ein Besuch beim Gründerinnennetzwerk in Hannover hat mir gezeigt, dass auch hier Frauennetzwerke einen entscheidenden Einfluss ausüben. Frauen neigen dazu, ihre Erfolge zu relativieren. In Gesprächsrunden mit männlichen Unternehmern fühlen sie sich deshalb oft unterlegen und gehen in der Wahrnehmung deshalb oft unter. Hier müssen Frauen darin bestärkt werden, mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln. Denn auch Frauen haben großartige Ideen, die sich gut vermarkten lassen. Und Unternehmen erfolgreich führen können sie auch.

Soziales:

Ein besonders interessantes Beispiel, wie sehr Rollenklischees noch in den Köpfen der Gesellschaft verankert sind, begegnete mir im vergangenen Sommer. Eine Frau, Mitte 30, Ingenieurin in einem Technikunternehmen, erzählte mir von sich und ihrem Beruf. Während sie Vollzeit arbeitet, ist ihr Mann zu Hause, kümmert sich um den Hof und die Hunde. Wäre es anders herum, würde garantiert niemand etwas daran finden. Schließlich sind viele Frauen zu Hause und kümmern sich um Haus und Kinder. Doch diese Frau musste sich immer wieder gegen den Vorwurf wehren, ihr Mann lasse sich von ihr aushalten. An diesem Denken muss sich schleunigst etwas ändern, schließlich kann unsere immer weiter digitalisierte und flexibilisierte Arbeitswelt längst schon keine Rücksicht mehr auf Rollenklischees nehmen. Vor allem deshalb, weil momentan die Frauen die Last dieser Entwicklung tragen. Sie gehen arbeiten wie ihre Männer, doch Kinder, Haushalt und Pflege der Eltern bleiben in der Regel immer noch an ihnen hängen.

Bestehende Rollenbilder aufzubrechen ist keine Aufgabe, die sich in Wahlperioden oder festgesetzten Fristen erledigen lässt. Aber eine Aufgabe, bei deren Umsetzung wir nicht nachlassen dürfen, Frauen nicht und Männer nicht. Wenn in unserer Selbst- und Fremdwahrnehmung die Gleichberechtigung nicht der Normalzustand ist, dann wird es sie in der Realität auch nicht geben. Und daran muss der Frauentag erinnern.

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