… gar kein Politiker. Aber er steht im öffentlichen Leben, zieht Aufmerksamkeit auf sich und hat deshalb de facto eine hochpolitische Rolle. In dieser Woche hat er einmal mehr bewiesen, wie mutig er auftreten kann. Er hat sich mit seinem Amtsvorgängern angelegt und damit gleichzeitig deutlich gemacht, dass er an der Spitze einer großen Organisation einen neuen Stil pflegen will.

Der Politiker der Woche ist…

Bischof Wilmer. Foto: Wallbaum

…Heiner Wilmer, der neue katholische Bischof des Bistums Hildesheim.

Der Begriff des Politikers, der im Rundblick beim „Politiker der Woche“ zum Tragen kommt, ist sehr weit gefasst. Wir zeichnen hin und wieder auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus, die durch ihr Auftreten eine Position in aktuellen gesellschaftlichen Debatten beziehen – und damit zwangsläufig politisch wirken. Das ist auch diesmal wieder der Fall. Heiner Wilmer, seit noch nicht einmal zwei Monaten neuer katholischer Bischof im Bistum Hildesheim, wird gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit schrecklichen Vorgängen konfrontiert. Auch in seinem Bistum ist es zu sexuellen Übergriffen und zu Missbrauch gekommen. Von mindestens 153 Opfern ist die Rede, außerdem von 46 Geistlichen, denen Taten vorgeworfen werden. Das bezieht sich zwar auf viele Jahre, ist aber dennoch bei 600.000 Katholiken in dem Bistum eine hohe Zahl. Wilmer hat von Anfang an deutlich gemacht, dass er nicht zu denen in der katholischen Kirche gehört, die den Mantel des Schweigens über die Vorgänge decken wollen, auf Vergessen hoffen oder auf Abschottung. Wie wenig er von der Haltung hält, die Kirche solle das Geschehene intern mit eigenen Mitarbeitern aufarbeiten, hat er kürzlich gesagt – als er, gegenüber dem Rundblick, vehement für die Öffnung der Akten für Außenstehende warb.

Wilmer weiß um den Verdacht, die Kirche könne versucht sein, das Vergangene möglichst unauffällig zu halten. Als von Zahlungen an Betroffene und Angehörige berichtet wurde, kam gleich der Hinweis auf ein mögliches „Schweigegeld“. Wilmer weiß, wie sehr diese Fälle und der Umgang der Kirchenleitung mit ihnen an der Glaubwürdigkeit der Kirche zerren. Wie sehr tritt sie für schonungslose Aufarbeitung ein? Wie sehr wird sie bereit sein, ihre Akten auch den Staatsanwaltschaften zu offenbaren, damit diese die Täter vor Gericht zerren können? Wilmer hat zwar noch nicht angekündigt, dass er alle Vorgänge der Justiz übergeben will – wohl auch deshalb, weil einige Betroffene und Angehörige in Einzelfällen gebeten haben, die Priester nicht anzuzeigen. Aber Wilmer hat in dieser Woche so deutlich wie nie zuvor Distanz zu seinem Vor-Vorgänger anklingen lassen, den 2010 verstorbenen Bischof Josef Homeyer. Im konkreten Fall eines verdächtigten Priesters habe Homeyer mit seiner Bistumsleitung „nicht nur versagt, sondern fürchterliche Dinge zugedeckt“. Dies sei „eine Katastrophe“, fügte Wilmer im NDR hinzu. Die Kirche dürfe keine Binnenkultur pflegen. Das sind klare Worte, wie man sie von führenden Katholiken selten hört – und wie man sie leider auch nicht vom obersten Katholiken, dem Papst, vernimmt. Wilmer präsentiert sich damit klar und offen, er ist eine Ausnahmeerscheinung – und bekommt völlig verdient die Auszeichnung zum „Politiker der Woche“. Glückwunsch von der Redaktion!