Umweltminister Meyer verurteilt Protest mit abgetrenntem Wolfskopf
Dass Kritiker der unkontrollierten Ausbreitung des Wolfes in Niedersachsen zu radikalen Protestformen bereit sind, ist nicht neu. Schon häufiger platzierten aufgebrachte Nutztierhalter die aufgerissenen und blutverschmierten Kadaver ihrer verendeten Schafe in der Öffentlichkeit, um auf ihr Leid aufmerksam zu machen. Der abgetrennte und präparierte Wolfskopf, der nun vor wenigen Tagen vor dem Nabu-Artenschutzzentrum in Leiferde (Kreis Gifhorn) abgelegt worden ist, markiert allerdings noch einmal eine neue Stufe der Eskalation.
Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) verurteilt diese Tat scharf, wie er über seinen Sprecher Manfred Böhling in der Landespressekonferenz auf Nachfrage ausrichten ließ. Die Aktion sei zum einen „makaber“ gewesen, zum anderen aber auch schlicht „verboten“, da zuvor ein Wolf illegal entnommen worden sei. Der genaue Tathergang wird derzeit noch untersucht. Tierschützer übertreffen sich derweil in der Höhe der Belohnung, die denjenigen versprochen wird, die an der Überführung der Täter mitwirken können. „Hoffentlich werden die Täter ermittelt“, schreibt auch Meyer auf Twitter.
Die Tat von Leiferde zeigt auf, wie stark sich der Konflikt um den Wolf derzeit wieder zuspitzt. Der CDU-Landtagsabgeordnete Frank Schmädeke erkennt darin ein Versagen der Landesregierung. Doch Umweltminister Meyer weist diese Einordnung als überzogen zurück und wirft der CDU vor, illegales Handeln zu rechtfertigen. Reaktionen, die zu einer Entschärfung beitragen könnten, erwägt Meyer derweil keine. Man sei mit den Beteiligten im Gespräch, erklärte Ministeriumssprecher Böhling. Im „Dialogforum Weidetierhaltung und Wolf“ haben der Umweltminister und Agrarministerin Miriam Staudte (ebenfalls Grüne) erst vor kurzem mehrere Dutzend Verbände an einen Tisch geholt, um über die Wolfspolitik des Landes zu sprechen. Dabei soll das eher lose strukturierte Vorgehen noch bis zum nächsten Jahr andauern, aber bereits im Verfahren erste Ergebnisse produzieren, erklärten die Minister.
Dass als Reaktion auf die angespannte Stimmung nun beispielsweise mehr Wölfe geschossen werden könnten, wie das unter dem vorherigen Umweltminister Olaf Lies (SPD) die Praxis gewesen ist, wird allerdings mit Verweis auf die „geltende Rechtslage“ ausgeschlossen. Auch zu konkreten Gesprächen mit der Bundesregierung, die an der besagten Rechtslage etwas ändern könnte, konnte Böhling nichts weiter ausführen, außer dass man natürlich auch mit dem Bund im Gespräch sei. Über eine Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes hätte die Bundesrepublik durchaus die Möglichkeit, weiterreichende Spielräume innerhalb der strengen EU-Vorgaben zum Umgang mit dem geschützten Wolf zu öffnen. Und das Land könnte durchaus eine solche Novelle anstoßen.
Die Ampelkoalition auf Bundesebene hat sich derweil in der Wolfspolitik ähnliches vorgenommen wie die niedersächsische Landesregierung. So möchte der Bund ein regional differenziertes Bestandsmanagement, das mit EU-Recht im Einklang ist, ermöglichen. Dieses könnte unterschiedliche Reaktionen auf Wolfsbelastungen zulassen – beispielsweise gezielte Abschüsse in besonders wolfsreichen Regionen wie in Teilen Niedersachsens.
Kritiker der aktuellen Politik stellen sich darunter auch ein Vorgehen vor, wie es in Schweden praktiziert wird. Dort werden zum Schutz der als kulturell schützenswert klassifizierten Rentiere wolfsfreie Zonen eingerichtet. Übertragen auf Niedersachsen könnte das, so die Hoffnung der Nutztierhalter, auch die Schaf- und Heidschnucken-Haltung in der Heide oder auf den Deichen miteinschließen. Aus Meyers Sicht ist das Agieren Schwedens aber nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Die EU-Kommission hat zwar eine Klage angekündigt, bewegt sich in diesem Fall aber kaum.
Meyers Sprecher verweist unterdessen weiter auf den Beschluss der Umweltministerkonferenz, die Informationen zum Erhaltungszustand des Wolfes in kürzeren Intervallen an die EU zu melden. Derzeit passiert dies nur alle sechs Jahre. Die Feststellung des günstigen Erhaltungszustands bildet allerdings die Grundlage für etwaige Lockerungen beim Schutzstatus des Wolfes. Die Beschlüsse der Umweltministerkonferenz haben allerdings keinerlei bindenden, sondern lediglich auffordernden Charakter. Dass sich das von Steffi Lemke (Grüne) geführte Bundesumweltministerium dieser Thematik ohne weiteren Druck annimmt, ist nicht zu erwarten. Stattdessen wird in Berlin irgendwann im Sommer mit dem Start des dortigen Dialogforums zum Wolf gerechnet.
Dieser Artikel erschien am 13.04.2023 in der Ausgabe #067.
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