„Überschaubarer Zeitraum“
Darum geht es: Die Zukunft der zerstörten Friesenbrücke in Weener im Landkreis Leer bleibt unklar. Land, Bund und die Deutsche Bahn konnten sich bei einem Treffen in Hannover noch nicht auf einen Neubau oder Wiederaufbau verständigen. Ein Kommentar von Martin Brüning:
„Hauptsache, es geht endlich voran und die Verbindung Friesenbrücke über die Ems ist in einem überschaubaren Zeitraum wieder hergestellt“, twitterte die Grünen-Landesvorsitzende Meta Janssen-Kucz gestern. Das Problem: So richtig voran geht es in diesem Fall leider nicht, und über die Definition eines „überschaubaren Zeitraums“ dürfte es unterschiedliche Ansichten geben. Das Gespräch, an dem gestern unter anderem Vertreter von Bund, Land, Landkreise und Deutscher Bahn teilnahmen, dauerte zwar länger als geplant– als sich dann aber die Türen öffneten, konnte man dennoch kein besonders befriedigendes Ergebnis präsentieren.
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Man habe den Knoten nicht durchschlagen können, sagte Wirtschaftsminister Olaf Lies. Stattdessen wird das Thema ein weiteres Mal vertagt. Am 20. März will man sich wieder treffen. Dann müssen laut Lies alle Fakten auf den Tisch, und es soll entschieden werden, ob die Brücke eins zu eins wieder aufgebaut oder durch einen Neubau ersetzt wird. Eine komplett neue Brücke könnte neuen und größeren Schiffen der Meyer-Werft eine bessere Durchfahrt ermöglichen und müsste dann bei solchen Durchfahrten nicht mehr für den Bahnverkehr gesperrt werden. Aber: Neben den Mehrkosten von etwa 15 Millionen Euro würde sie auch eine deutlich längere Planungs- und Bauzeit nach sich ziehen – Experten rechnen hier nicht in Monaten, sondern in Jahren.
Umso ärgerlicher ist es, dass die Frage gestern erneut nicht beantwortet, sondern vertagt wurde. Anfang Dezember 2015 hatte ein Frachter die Brücke gerammt und schwer beschädigt. Welche Fakten sollen bis zum 20. März noch gesammelt werden, die man im Laufe eines gesamten Jahres nicht beschaffen konnte? In der Region wünscht man sich sowohl auf niederländischer als auch auf deutscher Seite eine schnelle Lösung. Das spricht für den Wiederaufbau, der ohnehin schon lange genug dauern würde. Ein Kind, das im Monat des Unfalls auf der Ems geboren wurde, würde in diesem Fall bei der Wiedereröffnung der Strecke gerade eingeschult. Bei einem kompletten Neubau müssten sich die Eltern bei der Einweihung der Brücke langsam Gedanken machen, welche weiterführende Schule ihr Kind besuchen wird.
Der Fall der Friesenbrücke macht nicht nur die Schwerfälligkeit politischer Prozesse deutlich, bis bei Infrastrukturprojekten endlich zum ersten Mal der Spaten in die Hand genommen wird. Er zeigt auch, wie immer komplexere Planungs- und Bauvorschriften Projekte inzwischen zeitlich in einem Ausmaß in die Länge ziehen, das jeder Beschreibung spottet. Den Mangel an Ingenieuren gleicht dieses Land inzwischen durch einen Überfluss an Vorschriften und potenziellen Klägern aus.
Während über die „failed Stadt“ Berlin und ihren Flughafen BER herzlich gelacht wird, gibt es landauf, landab lauter kleine BER-Projekte, deren Bau sich über eine Vielzahl von Jahren hinzieht, sei es durch Planungs- oder Beteiligungsprozesse, gesetzliche Vorgaben, juristische Verfahren oder Baufehler. In der chinesischen Provinzstadt Changde wurde kürzlich ein gesamtes Viertel nach dem Vorbild Hannovers gebaut. Bauzeit: zwei Jahre. Für den Neubau einer einzigen einspurigen Eisenbahnbrücke in Weener rechnet der Wirtschaftsminister mit sieben Jahren – übrigens laut Lies natürlich nur, „wenn alle Rahmenbedingungen stimmen würden“.