Rot-Grün will heute im Landtag ein neues Gesetz verabschieden, das die Rechte von Tierschutzorganisationen erweitern soll. Anerkannte Organisationen wie der Deutsche Tierschutzbund sollen künftig ein Mitspracherecht bei der Ausgestaltung von tierschutzrelevanten Verwaltungsvorschriften und der Genehmigung zum Bau etwa von Ställen für die Erwerbstierhaltung bekommen. Darüber hinaus müssen sie künftig nicht mehr in irgendeiner Form selbst betroffen sein, wenn sie gegen Tierschutzverstöße klagen wollen. Das gilt aber nur, wenn Behörden oder Verwaltungsvorschriften die Verursacher sind. „Die Einzelfälle werden weiterhin über die Veterinärämter angezeigt“, sagt Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel. Das neue Gesetz solle stattdessen zur Klärung von Präzedenzfällen beitragen. Sie nennt das neue Gesetz einen „Meilenstein für den Tierschutz“.

Die Grünen feiern vor dem Landtag das neue Gesetz für mehr Mitbestimmungsrechte für Tierschutzorganisationen. Foto: Christian

Hintergrund des Gesetzes ist das Ziel, den Tierschutzorganisationen in Verwaltungsprozessen, die sich um Tiere drehen, ein Druckmittel an die Hand zu geben. Bisher können Tierschutzverbände nur mittelbar durch die Teilnahme in Kommissionen und über den Tierschutzbeirat auf Entscheidungen einwirken. Als Organisation werden sie nur dann angehört, wenn die Verwaltung befindet, eine Stellungnahme des Vereins zu einem bestimmten Thema liege im öffentlichen Interesse. Das Gesetz soll die Tierschutzorganisationen aus dieser passiven Rolle herausholen und ihnen ein Recht auf Beteiligung geben. So ist vorgesehen, dass Tierschutzorganisationen binnen sechs Wochen eine Stellungnahme zu geplanten Rechts- und Verwaltungsrichtlinien, die den Tierschutz betreffen, abgeben können. Bei der Genehmigung von Bauvorhaben, etwa für Ställe, muss die Organisation sich innerhalb von vier Wochen äußern. Außerdem dürfen Tierschutzorganisationen künftig Einblick in Sachverständigengutachten beantragen, sofern diese ihren Bereich betreffen. „Diese Regelung soll dazu beitragen, dass das Tierwohl schon in den Entscheidungsprozessen eine größere Rolle spielt“, sagt Piel. Das gelte etwa bei Baugenehmigungen für Kastenställe oder beim Umgang mit dem sogenannten „Kükenschreddern“, dem Töten männlicher Tiere direkt nach dem Schlüpfen. „Es hat sich gezeigt, dass die Tierschutzverbände in Niedersachsen einen großen Bedarf haben, bei generellen Fällen angehört zu werden“, erläutert Piel.

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Doch das Gesetz gibt den Organisationen erstmals auch die Möglichkeit, rückwirkend tätig zu werden, indem Tierschutzorganisationen das Recht auf eine Feststellungsklage bekommen. „Tierschutzverstöße sind kein Kavaliersdelikt“, sagt Helge Limburg, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen. Es gehe aber nicht darum, den Einzelnen an den Pranger zu stellen, sondern Rechtsklarheit zu schaffen. Daher können die Organisationen nur gegen Behörden oder einzelne Vorschriften und Baugenehmigungen klagen, nicht aber gegen einen Bauer oder ein Tierheim. Baugenehmigungen für Gehege in Zoos sind nach einem Antrag von Rot-Grün im Ausschuss davon ausgenommen worden, sofern die Gehege von einem ausgebildeten Pfleger geleitet werden und sich für den Arterhalt nach internationalen Richtlinien einsetzen.

Die wichtigsten Voraussetzungen für Tierschutzorganisationen, um das Mitsprache- und Klagerecht in Anspruch zu nehmen, sind eine Niederlassung in Niedersachsen und ein mindestens fünfjähriges, anerkanntes Engagement in einem Bereich des Tierschutzes. Insgesamt acht Bundesländer haben ebenfalls ein solches Gesetz, das Tierschutzorganisationen Mitsprache- und Klagerechte gewährt. „Da hat sich gezeigt, dass das Klagerecht sehr zurückhaltend gebraucht wird“, sagt Limburg. Die Opposition wird voraussichtlich gegen das Gesetz stimmen. „Wir sind der Auffassung, es gibt schon alle notwendigen, rechtlichen Möglichkeiten, um Tierschutzverstöße anzuzeigen“, sagt Hermann Grupe, der für die FDP im zuständigen Agrarausschuss sitzt. Ein solches Gesetz sei daher überflüssig und würde nur zu einer Doppelbürokratie führen. Zudem sei die Ausnahme der Zoos ein Affront gegen die Landwirte. „Auf Bauernhöfen arbeiten auch gut ausgebildete und erfahrene Leute“, sagt Grupe.