Eine alte Politikerweisheit lautet: Es sind selten die Krisen, die Politikern wirklich zum Verhängnis werden können – es ist meist ihr falscher Umgang mit den Krisen. Das gilt auch für Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil und die Büroleiter-Affäre. Kurzgefasst: Seit knapp zehn Monaten ist bekannt, dass für die Höherstufung von Weils Büroleiterin eine besondere Vorschrift geschaffen wurde – und zwar auf Betreiben von Staatskanzleichef Jörg Mielke. Gegen den Rat von Fachleuten aus der Staatskanzlei und aus dem Finanzministerium wurde das durchgedrückt. Die rückwirkende Beförderung verträgt sich nicht mit internen Vorgaben und Regeln. Da die Profiteurin eine SPD-Parteigenossin ist, entsteht der Geruch von Parteienfilz. Solche oder ähnliche Dinge kommen alle paar Jahre vor bei Landesregierungen aller politischer Couleur. Insofern ist Niedersachsen hier keine Ausnahme. Man kommt heil da durch, wenn man sich demütig verhält.

Jörg Mielke sitzt am Montag als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss. | Foto: Wallbaum

Das übliche Krisenmanagement wäre gewesen: Die Landesregierung räumt den Fehler ein, gelobt Besserung und zieht personelle Konsequenzen. In diesem Fall hätte das geheißen: Mielke hätte seinen Hut genommen, für jedermann sichtbar wäre das Fehlverhalten mit einer Sanktion verbunden gewesen. Doch Weil und sein Umfeld entschieden sich für einen anderen Weg. Sie leugneten die Fehler, räumten allenfalls Mängel im taktischen Vorgehen ein – und sie beließen alle Akteure auf ihren Plätzen. SPD und Grüne im Untersuchungsausschuss werden seit Monaten nicht müde, von einer „Luftnummer“ zu reden und jeglichen Hinweis auf einen Skandal als üble Polemik zu bezeichnen. Ihre Hoffnung war offenbar, auf ein abflauendes mediales Interesse zu vertrauen und darauf, dass sich irgendwann niemand mehr für die Affäre interessiert.

Das ist nicht aufgegangen. Dass Weil so völlig frei von Schuldbewusstsein in dieser Sache blieb, spornte die CDU an und ließ sie tiefer in den Unterlagen graben. Und wer sucht, der findet auch. Nach und nach tauchte vieles auf – offenkundige falsche Auskünfte an Journalisten, die nicht oder viel zu spät korrigiert wurden. Unklare oder fehlerhafte Angaben zur Länder-Umfrage, die über Wochen verbreitet wurden. Geänderte Behördenabläufe, die erst zufällig ans Licht kommen. Und nun auch noch ein Mail-Austausch, der auf eine Verquickung von Staatsdienst und Parteiarbeit in der Staatskanzlei hindeutet. Je länger das alles dauert und in schöner Regelmäßigkeit neue Ungereimtheiten aus Weils Umfeld zutage fördert, desto belastender wird das alles für das Ansehen des Ministerpräsidenten, der bisher immer als gerechter und überparteilicher Amtswalter im Interesse des Landes gegolten hatte.

Das ist Weils Fluch: Hätte er sich vor ein paar Monaten von Mielke getrennt und eigene Fehler offen eingestanden, würde heute niemand mehr über den Fall reden. Alle neuen Ungereimtheiten, Widersprüche und Merkwürdigkeiten in den Akten, die inzwischen bekannt geworden sind und noch bekannt werden, hätten keine Sprengkraft mehr – denn die Konsequenz aus der Affäre wäre ja schon gezogen worden. So aber bleibt das Fehlverhalten weiter ohne Buße, und das bedeutet an jedem neuen Tag eine neue mögliche Nervenprobe für den Ministerpräsidenten und seine Mitarbeiter.

SPD-Mann Wiard Siebels (links), Grünen-Politikerin Nadja Weippert (Mitte) und Volker Bajus (Grüne) gestern nach der Ausschusssitzung. | Foto: Wallbaum

Wir berichten heute über die neue Vernehmung von Staatskanzleichef Jörg Mielke im Untersuchungsausschuss, über die neue technische Ausrüstung für die Polizei und über Sorgen der Sicherheitsdienste wegen der neuen Bundesgesetzgebung.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag,

Klaus Wallbaum