Große Überraschungen brachte der gestrige Wahlabend wahrlich nicht. Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen endeten ziemlich genau mit dem Ergebnis, das die Demoskopen lange vorhergesehen hatten. Und um die Frage, wer denn nun mit wem hinsichtlich einer Koalition sprechen wird, drückten sich die Spitzenkandidaten konsequent herum.

Auch der sächsische Wahlsieger Michael Kretschmer (CDU) zeigte im ARD-Interview keine wirkliche Bereitschaft, auf irgendeine Frage in diese Richtung eingehen zu wollen. Nachdem er selbst die noch vergleichbar dankbare Nachfrage völlig umschiffte, ob er zunächst mit „wackelig Kenia“ (SPD und Grüne) oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) das Gespräch suchen werde, musste sich Kretschmer einen Seitenhieb von Moderator Jörg Schönenborn gefallen lassen. „Ich springe hin und her, so wie er auch mit den Themen hin und her springt“, leitete Schönenborn seine Wahlanalyse ein, in der er Kretschmers These, dass die Wähler unter den Parteien der Mitte nur noch der CDU so richtig vertrauten, ordentlich zerpflückte.

Erst disst er Michael Kretschmer (Mitte), dann analysiert er die Wählerwanderungen in Sachsen: Jörg Schönenborn (links) zeigt am Wahlabend, warum WDR-Programmdirektoren so gut bezahlt werden. | Screenshot/ARD

Schönenborn zeichnete sich gestern überhaupt als „Most Valuable Player“ im ARD-Wahlstudio-Team aus. Nicht nur Kretschmer, sondern auch den anderen Spitzenpolitikern fuhr er immer wieder mit konträren Analysen in die Parade.

Eine ehrenvolle Erwähnung hat aber auch MDR-Moderator Gunnar Breske verdient, der den thüringischen AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke mit folgenden Worten begrüßte: „Sie sind die Partei mit den meisten Stimmen an diesem Wahlabend, Sie werden aber auch als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.“ Höcke reagierte auf diese Einleitung mit der inneren Gelassenheit, die auch ich an den Tag lege, wenn sich im Feierabendverkehr im Stau auf der A37 zwischen Hannover und Celle ein anderer Verkehrsteilnehmer vor mich drängelt. „Das musste ja gerade wieder sein. Wollen wir uns darüber unterhalten?“, polterte Höcke und raunzte seinen Interviewpartner an: „Hören Sie bitte auf, mich zu stigmatisieren. Wir sind die Volkspartei Nr. 1 in Thüringen. Sie wollen doch nicht ein Drittel der Thüringer Wähler als rechtsextrem einstufen.“

„Hören Sie bitte auf, mich zu stigmatisieren“: Björn Höcke will nicht als „gesichert rechtsextrem“ bezeichnet werden. | Screenshot/ARD

Breske jedoch blieb supercool und schaffte es damit, sein aufgebrachtes Gegenüber wieder zu beruhigen. In dem Bemühen, Höcke eine aussagekräftige Antwort zur Koalitionsbildung zu entlocken, scheiterte allerdings auch der MDR-Moderator. Erst auf die knappe Nachfrage „Wie stehen Sie zum BSW?“ gab der AfD-Spitzenkandidat folgende bemerkenswerte Antwort ab: „Das BSW ist im Augenblick, glaube ich, für alle noch ’ne Blackbox. Das BSW hat in Thüringen 50 Mitglieder, das Landtagswahlprogramm war nur wenige Seiten stark. Wir wissen nicht genau, was das BSW ist. Ist es eine weitere Partei, die den Kartellparteienweg geht? Oder ist sie wirklich bereit, die Brandmauer zu überspringen und konstruktiv zusammenzuarbeiten? Was kann das BSW überhaupt inhaltlich leisten? Noch konnte es sich noch nirgendwo beweisen. Es ist eine Partei, die es gerade mal seit wenigen Monaten gibt. Also: Man darf gespannt sein.“ Besser hätte das auch Schönenborn nicht analysieren können.



Wenden wir aber den Blick zurück nach Niedersachsen, wo es bis zur nächsten Landtagswahl noch drei Jahre dauert. Das sind die Themen der heutigen Rundblick-Ausgabe:
◼ Umbau der Förderlandschaft: Die Landesregierung will ihre Förderprogramme entrümpeln und stattdessen lieber den kommunalen Finanzausgleich aufstocken. Den offiziellen Abschlussbericht dazu gibt es erst im November, einige Details sind aber schon bekannt.
◼ DGB springt Philippi zur Seite: Für seinen Reformvorschlag für das Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz (NGG) bekommt Sozialminister Andreas Philippi jede Menge Dresche von allen Seiten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sagt jetzt jedoch: Die Vorschläge des Ministers gehen noch nicht weit genug.
◼ Peter von Oertzen bleibt unvergessen: Der frühere niedersächsische Kultusminister und SPD-Politiker Peter von Oertzen wäre heute 100 Jahre alt geworden. Im Interview mit Rundblick-Chefredakteur Klaus Wallbaum erinnert sich Wolfgang Jüttner an seinen politischen Ziehvater.

Einen guten Start in die Woche wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link