TagesKolumne: Was bisher geschah
Mit dem Jahreswechsel beginnt auch wieder die Zeit der Jahresrückblicke. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Am besten lässt sich ein Kalender- oder Geschäftsjahr bewerten, wenn die Daten von Januar bis Dezember vollständig vorliegen. Bei sehr gut gepflegten Datenbanken ist das bereits am 31. Dezember um Mitternacht der Fall, sodass die anschließende Zusammenfassung und Auswertung nur noch eine Frage von Tagen oder Wochen ist. Handelt es sich um einen Aktienkonzern, gehen eher ein paar Monate ins Land – schließlich müssen die Daten erst intern abgestimmt und von der Rechts- und Compliance-Abteilung abgesegnet werden. Und bei einer öffentlichen Behörde sprechen wir üblicherweise von zwei bis drei Quartalen, bis eine vorläufige Bilanz vorliegt. Schließlich könnte Uli aus der Buchhaltung auch nach der vierten Korrekturrunde noch einen wichtigen Hinweis finden, der vor der Veröffentlichung von den entsprechenden Stellen dreimal per Hand gegengezeichnet werden muss.
Die Jahresbilanz zur politisch motivierten Gewalt in Niedersachsen präsentiert Innenministerin Daniela Behrens beispielsweise regelmäßig erst im Mai des Folgejahres. Bislang dachte ich, dass dieser Termin höchstens für die fünf Mitbürger zu spät kommt, die ihr Sicherheitsempfinden tatsächlich davon abhängig machen, ob die Zahl der links- oder rechtsgesinnten Straftaten über dem Zehn-Jahres-Durchschnittswert liegt oder nicht. Die Kollegen von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) scheinen das aber anders zu sehen. „In den ersten elf Monaten dieses Jahres verzeichnete das Landeskriminalamt Niedersachsen weit mehr Straftaten mit vermutlich extremistischem Hintergrund als im Vorjahreszeitraum“, berichteten sie gestern in einem aufwendig recherchierten Artikel. Woher wissen sie das? Weil sie beim LKA nachgefragt haben. Aber warum warten sie nicht einfach noch einen Monat, um dann gleich die Gesamtzahlen für 2024 abzufragen? Das würde ich auch gern wissen.
An dieser Stelle richte ich deswegen einen Appell an alle Kollegen: Bitte etabliert neben den Jahresrückblicken nicht auch noch die Elf-Monats-Rückblicke. Andernfalls finden wir uns bald in einer immer schneller drehenden Rückblicks-Spirale mit immer kürzeren Zeiträumen wieder. Wenn wir nicht aufpassen, lesen wir bald wöchentliche Rückblicke, dann tägliche – und irgendwann berichten wir im Stundentakt darüber, wie die Welt vor genau 60 Minuten aussah. Das spart zwar Recherchezeit, aber ob es die Leser tatsächlich weiterbringt, ist eine andere Frage.
Blicken wir aber nun zurück auf die heutige Rundblick-Ausgabe, die wir mit folgenden Themen ausgestattet haben:
◼ Der ökumenische Religionsunterricht in Niedersachsen soll 2025 starten. Ob der Termin eingehalten wird, ist noch unklar – aber die fünf Jahre intensiver Vorbereitung verdienen schon jetzt ihren eigenen Rückblick.
◼ Die Kommunalisierung der BLSK ist möglich, aber teuer: Ein Gutachten nennt einen dreistelligen Millionenbetrag, was das Land skeptisch macht – Braunschweig will dennoch 2025 verhandeln.
◼ Kandidaten für die beste New-Work-Arbeitsumgebung in Niedersachsen gibt es einige, aber kein Unternehmensstandort hat mich bisher so beeindruckt wie der Campus von Webnetz in Lüneburg. Das Unternehmen führt einen wirklich außergewöhnlichen Kampf gegen das Homeoffice.
Rückblickend ein gutes Jahr 2024 wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
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