TagesKolumne: Wahlkampffieber
Verfassungsfeiern sind schön, gelebte Demokratie ist aber noch viel schöner! Das dachte sich wohl auch Rishi Sunak, der britische Prime Minister, der am Mittwoch überraschend Neuwahlen des Unterhauses ausgerufen hat. Mangels Verfassung, die man feiern könnte, bittet er sein Volk nun an die Urne – und hofft vermutlich, dass die Asche seiner politischen Ambitionen nicht unmittelbar in selbiger landet.
Über die Motive des Nach-Nach-Nach-Nachfolgers von David Cameron wird von Politiknerds nun eifrig diskutiert. Zu vernehmen ist, dass die schlechte Position der Tories in den Umfragen, gepaart mit gleichzeitig aber vergleichsweise gutem Wirtschaftswachstum, den Ersten Minister zu diesem überraschenden Schritt veranlasst haben könnte.
Ich halte es derweil für sehr viel wahrscheinlicher, dass die Brexit-geplagten Briten voller Neid auf den laufenden Europawahlkampf blicken – und deshalb jetzt selbst in den Wahlkampfmodus wechseln wollen.
Dass die Briten nun am 4. Juli ihr Kreuzchen machen, sprengt den irren Wahlterminkalender Europas allerdings endgültig. Schließlich findet die Wahl zum Europaparlament in den 27 verbliebenen Mitgliedstaaten bereits jetzt über vier Tage verteilt statt: Die allermeisten wählen gemeinsam mit uns am Sonntag, 9. Juni. Italien gönnt sich aber zusätzlich noch den Sonnabend. Auf Guadeloupe, Martinique und Französisch Guinea kann allerdings nur am Sonnabend gewählt werden, ebenso in der Slowakei und Lettland. Irland wählt am Freitag, die Niederlande schon am Donnerstag, die Tschechen stimmen Freitag und Sonnabend ab und Estland öffnet seine Wahllokale gleich an allen vier Tagen von Donnerstag bis Sonntag.
Angesichts dieses Kuddelmuddels ist das Voting beim Eurovision Song Contest doch gerade stringent. Apropos Eurovision: Am Donnerstag veranstaltete die European Broadcasting Union die große TV-Debatte zur Europawahl, live aus dem Brüsseler Plenarsaal, mit dem schönen Namen: Eurovision Debate. Falls die Sendezeit (15 Uhr) nicht mit Ihrem Arbeitsalltag vereinbar war, hier eine Kurzzusammenfassung.
Also, in aller Kürz und Verkürzung: Ursula von der Leyen (EVP) will das neulich so gar nicht gesagt haben mit der möglichen Unterstützung durch Rechtsaußen und stellt klar: Zuerst sollen sich die Gruppen im Parlament bilden, dann will sie nur mit denen zusammenarbeiten, die keine Putinfreunde in ihren Reihen haben und klar den Rechtsstaat verteidigen. Der Sozialdemokrat Nicolas Schmit ist stolz auf den EU-Mindestlohn und zieht bei einer Allianz mit Rechtsextremen die rote Linie. Sandro Gozi (Renew) vertrat Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die in Maastricht neulich nicht so gut performt haben soll, und will, dass die EU neu gedacht wird, wozu auch eine Erweiterung gehört. Terry Reintke (Grüne) stellt sich gegen die extreme Rechte und sucht Allianzen für den Klimaschutz, den sie mit der Wirtschaft zusammen angehen will. Außerdem ist sie gegen Sparpolitik. Und dann war da noch der österreichische Linke Walter Baier, der EU-Sanktionen gegen Israel fordert. Rechtsaußen war zwar ständig Thema, mangels Spitzenkandidaten waren ID und ECR aber gar nicht mit dabei.
Wir hingen am Donnerstag aber nicht die ganze Zeit mit Popcorn vorm Fernseher. Diese Themen haben wir deshalb für Sie heute im Angebot:
- Weidemilch: Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) stemmt sich gegen den Plan des Einzelhandels, Weidemilch künftig nur als Haltungsform 3 einzustufen.
- Parteienverbot: Bei der Grundgesetz-Feier der CDU-Landtagsfraktion warnte der frühere Bundesverfassungsrichter Peter Müller vor Initiativen zum Verbot der AfD.
- Büroleiter-Affäre: Am zweiten ordentlichen Sitzungstag vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuss sagten Staatskanzleichef Jörg Mielke und Regierungssprecherin Anke Pörksen aus.
Kommen Sie gut ins (Achtung: lediglich zweitägige) Wochenende!
Ihr Niklas Kleinwächter
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
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