TagesKolumne: Superhirn mit Kontrollzwang
Es geschah am vergangenen Montag. Völlig unerwartet erreichte mich eine Nachricht über die Facebook-App auf meinem Smartphone. „Wir haben einen Beitrag von deiner Seite entfernt“, verriet mir das Programm plump vertraulich. Danach aber wurde es vage. „Warum ist das passiert?“, steht da als nächstes.
Doch offenbar handelte es sich dabei gar nicht um eine rhetorische Frage, die eine Beantwortung direkt anschließt. Denn eine konkrete Begründung lieferte mir die App nicht. Stattdessen formulierte sie allgemein: „Anscheinend hat ein Admin versucht, auf irreführende Art und Weise „Gefällt mir“-Angaben, Follower, geteilte Inhalte oder Videoaufrufe zu generieren.“
Ja, ist es nicht genau das, worum es bei Facebook geht?
Derart im Ungefähren gelassen, fühlte ich mich von der obigen Frage nun ganz direkt angesprochen: „Warum ist das passiert?“ wurde zu „Wie konnte dir so etwas passieren, Niklas?“
Meine Neugier war geweckt. Was haben wir denn so Schlimmes angestellt? Eigentlich, so dachte ich, sind unsere Accounts in den sozialen Medien doch ziemlich zahm. Nicht einmal zu Click-Baiting lassen wir uns noch hinreißen, nachdem treue Leser uns auf die Finger gehauen haben, nachdem wir es ein paarmal probiert haben. Um welchen Beitrag ging es denn nun?
Um diese Frage zu beantworten, musste ich finden, was fehlte. Denn selbst im Schimpf-und-Schande-Modus verrät die Facebook-App nicht, wie der Beitrag einmal ausgesehen hat, der nun aus Rücksichtnahme auf die zartbesaitete Facebook-Community ohne Chance auf Widerspruch entfernt werden musste.
Ich schaute also bei LinkedIn und Twitter nach und staunte nicht schlecht. Zwischen der Wochenvorschau und dem Reinbold-Interview klafft bei Facebook eine Lücke: „Rechnungshof kritisiert: Das Land weicht den nötigen Einsparungen weiterhin aus“ lautet die Überschrift, angeteasert wird es mit einem Sandra von Klaeden-Zitat.
Und … was war daran jetzt problematisch? Das werden wir wohl nie erfahren. Derartige Fälle häufen sich allerdings. Erklären kann ich mir die neue Strenge der Facebook-Zensur nur durch eine neue Variable: Die KI entscheidet jetzt mit. Und wie die entscheidet, versteht der Mensch oft selbst nicht mehr.
Am Tag nach diesem Vorfall gab die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften bekannt, dass der diesjährige Physik-Nobelpreis an die Väter der Künstlichen Intelligenz geht. Einer von ihnen gab zu Protokoll: „Ich bin besorgt, dass Systeme, die intelligenter sind als wir, schließlich die Kontrolle übernehmen.“
Angesichts der jüngsten Facebook-Erfahrung ist es noch nicht die Superintelligenz, die mir Sorgen macht, sondern die Kontrolle, die wir jetzt schon den dümmeren Programmen übertragen…
Für den heutigen Rundblick haben wieder echte Menschen die Arbeit von echten Menschen kontrolliert. Das kam dabei heraus:
- Weils Nummer Eins: Staatskanzlei betont: Nein, Mielke will weiter an der Spitze der Behörde bleiben
- Innenausschuss: Behrens: Wenn wir Gebäude für die Polizei anmieten, verringern wir den Investitionsstau
- Sozialverbände im Interview: „Der Sozialbereich kostet nicht nur, sondern hält die Gesellschaft auch zusammen“
- Schacht Konrad: Umweltverbände klagen vorm OVG gegen Atommüll-Endlager
Schreiben Sie heute doch mal was Nettes bei Facebook. Tut ja sonst kaum noch jemand…
Ihr Niklas Kleinwächter
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
Jetzt vorbestellen