Satz- und Sonderzeichen sind eine umkämpfte Sache. Sterne, Doppelpunkte oder Unterstriche sind zu Diskriminierungskillern und Distinktionswerkzeugen geworden. Aus den Hochschulen schwappten die all-inkludierenden Substantiv-Neologismen zusammen mit einer ungeahnten Pronomen-Vielfalt zunächst in Akademikerkreise über. Später folgten Nachahmer in Parteien, Verbänden, Schulen, Kirchen und Redaktionen. Progressive Politiker (Pause) innen, die etwas auf sich halten, üben längst fleißig vorm Spiegel den Glottisschlag, um ihre polyglotte Zungenfertigkeit unter Beweis zu stellen.

Liebe Leser*innen gibt’s beim Rundblick noch immer nicht. | Foto: aprott via Getty Images

Doch das gefällt nicht „jeder_m“. Eine Volksinitiative wollte diesem Sprachwirrwarr Einhalt gebieten und setzte sich dafür ein, dass *, : oder auch _ wieder an ihre angestammten Plätze im alltagssprachlichen Setzkasten zurückfinden. Und dieser Platz sollte eben nicht vor einem angehängten „innen“ sein.

Nun ist die Volksinitiative „Stoppt Gendern in Niedersachsen“ gescheitert. Der gesellschaftliche Kampf um unsere Sprache dürfte unterdessen weitergehen – allerdings wieder im alltäglichen Miteinander und nicht im Parlament in Hannover.

Mich sorgt derweil die Zukunft ganz anderer Satzzeichen, die sich im zweiten Absatz dieser TagesKolumne bereits eingeschlichen haben: die „Anführungszeichen“. Ich bevorzuge eigentlich den niedlicheren Ausdruck „Gänsefüßchen“, doch dieses Diminutiv gilt wohl eher für die französischen «Guillemets» oder die »deutschen Möwchen«, wie ich nun gelernt habe. Eine Volksinitiative „Rettet die Gänsefüßchen“ dürfte auf Marktständen allerdings Bonuspunkte sammeln, denke ich.

Was den Gender-Gegnern gefehlt hat: ein passendes Maskottchen. | Foto: KI-generiert von Link

Die klassische deutsche Form der Gänsefüßchen steht in der modernen Kommunikation jedenfalls ebenso auf der Liste der bedrohten Arten wie die Weißwangengänse in freier Wildbahn. Bedroht werden „ und “ derweil nicht von « und », sondern von dem so viel ausdrucksschwächeren „.

Diesen Trend zur ungenauen „Apostrophierung“ gab es schon einmal: Die klassische Schreibmaschine unterschied auch nicht zwischen den Anführungszeichen zu Beginn einer wörtlichen Rede oder eines anderweitigen Zitats und jenen am Ende dieses ausgeliehenen Textabschnitts. Geschichte wiederholt sich nicht, doch nun ist es die digitale Kommunikation, die den zwei simplen Anführungs-Strichen den roten Teppich ausrollt. Wer online schreibt, muss sich schon echt Mühe geben, um das Anführungszeichen unten zu setzen. (Kleiner Tipp: Alt + 0132).

Und so wird schließlich auch die korrekte Wahl der Anführungszeichen zum Distinktionswerkzeug. Bloß gegen Diskriminierung hilft das Ganze wohl auch nicht weiter.

Unsere sonstigen Themen heute:

  • Wissenschaft: Nicht nur in den USA, auch in Niedersachsen sehen Abgeordnete die Freiheit von Forschung und Lehre bedroht – allerdings aus unterschiedlichen Richtungen.
  • Sicherheit: CDU und Grüne drängen auf die Einführung der „elektronischen Fußfessel“, doch Innenministerin Daniela Behrens will wohl lieber die große Reform des Polizeigesetzes abwarten.
  • Machtwechsel: Wie geht es jetzt weiter an der Spitze der SPD? Vor der Klausurtagung des Parteivorstands analysiert Klaus Wallbaum vier Varianten, wie die Übergabe der Macht organisiert werden könnte.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins „wohlverdiente Wochenende“!
Ihr Niklas Kleinwächter