TagesKolumne: Keine Eigenschaft wie andere
Erstmal muss ich betonen: Dass Sie heute noch eine Nachlese vom Internationalen Frauentag im Rundblick finden, liegt keineswegs daran, dass der weibliche Teil der Redaktion jetzt erst wieder arbeitsfähig wäre. Allerdings: Intensiv fand ich den Tag schon. Es begann für mich mit Kuchen und frischer Himbeer-Rosmarin-Limonade in der Katholischen Familienbildungsstätte. Die FaBi in Hannover begeht in diesem Jahr nämlich – genau wie der Rundblick! – ihr 60. Jubiläum. Das Team hat den Termin der Feierlichkeiten sehr bewusst auf den 8. März gelegt. Frauen den Rücken zu stärken in einem katholischen Umfeld bedeutet ja oft, sich in einen rauen Wind zu stellen. Als erste tat das die Schwester des damaligen Weihbischofs, die mit garantiert sturmfester Frisur die so genannte „Mütterschule“ gründete.
Danach ging es weiter in den Landtag. Die Präsidentin des Hauses, Hanna Naber, hatte Frauen aus Politik, Medien und Verbänden eingeladen, über Vielfalt zu diskutieren. Schnell war klar: Für Vielfalt zu sorgen ist mehr als Geschlechterpolitik. Oder auch: Frauen sind nur eine benachteiligte Gruppe unter vielen, und technisch gesehen noch nicht mal eine Minderheit. Inzwischen meinen viele, Frauen seien eigentlich ganz okay vertreten – zumindest im Vergleich mit Menschen aus der Arbeiterklasse, Menschen mit Behinderungen oder nicht-weißer Hautfarbe, um nur einige Beispiele zu nennen. In Großbritannien, sagte Referentin Alexandra Borchardt, haben viele große Medien weibliche Chefredakteurinnen. Denen falle es nicht ein, in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen, wie sie „als Frau“ Karriere gemacht haben. Eine Frau an der Spitze zu sein solle so etwas Normales werden, eine Eigenschaft unter vielen anderen.
Meine Gedanken wanderten zurück zum Nachmittag und zu den Katholikinnen. Eben noch hatte ich einer jungen Mutter zugehört, die sagte: Früher war alles so einfach. Jungen waren Jungen und Mädchen waren Mädchen. Heute werde in der Kita gefragt: „Willst du ein Kleid oder eine Hose anziehen?“ Und die Eltern seien die Bösen, wenn sie versuchten, ihren Kindern in dieser unübersichtlichen Welt Orientierung zu geben. Ich denke darüber ganz anders – aber in dem Moment fühlte ich ihren Frust. In der illustren Landtags-Runde ist Vielfalt ein unstrittiger Wert. Anderswo fühlt sie sich wie Druck an.
Ich fand es ganz gut, dass sich die Diskussion in der Portikushalle des Landtages am Schluss doch noch einmal frauenspezifischen Themen zuwandte. Eine Vertreterin der Landfrauen wies darauf hin, dass es auf dem Land noch schwieriger ist als in der Stadt, Beruf und Familie zu vereinbaren. Einerseits wegen der fehlenden Kinderbetreuung – andererseits auch wegen des fehlenden Engagements der Väter. Und die Poetryslammerin „Ruby schreibt Zeugs“ beschrieb, was es für sie bedeutet, sich öffentlich zu äußern: Mord- und Vergewaltigungsdrohungen und halbherzige Unterstützung der Polizei. Denn eine Frau zu sein ist eben längst nicht eine Eigenschaft unter vielen.
Heute im Rundblick lesen Sie außerdem:
• Bürgermeisterinnen und -meister sollen künftig länger amtieren. Auf viel mehr kann sich Rot-Grün aber bisher nicht einigen.
• Mehr als die Hälfte der Niedersachsen fürchten sich nachts an öffentlichen Orten und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dass das mehr Frauen betrifft, brauche ich nicht betonen, oder?
• Wenn Agrardiesel dem Klima schadet – was könnte die Alternative sein? So viel sei verraten: Es ist kompliziert.
Ich wünsche Ihnen einen diskussionsfreudigen Dienstag!
Ihre Anne Beelte-Altwig
Karrieren, Krisen & Kontroversen
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