Wenn sich der Vorhang einer Laienspielbühne hebt, ist man ja auf einiges gefasst. Nicht gefasst war ich auf die Traurigkeit, die plötzlich im Raum stand. Die Teamerinnen des Elternbildungsprogramm „Rucksack Schule“, das ich Ihnen im heutigen Rundblick vorstellen möchte, wollten einmal etwas anderes zusammen machen als über Integration zu diskutieren. Mit Hilfe einer Theaterpädagogin, die selbst aus der Ukraine geflüchtet ist, haben sie ihre eigenen Migrationsgeschichten in Szene gesetzt. Die kurzen Szenen kommen ohne Worte und mit sehr sparsamen Gesten aus. Deutlich wird: Keine der Frauen hat ihre Heimat aus freien Stücken verlassen, keine hat mit Optimismus auf das Leben in Deutschland geblickt. Sie sind gekommen, weil ihnen zu Hause Gefahr für Leib und Leben drohte, weil der Ehemann hier einen Arbeitsvertrag ergattert hatte oder weil sie noch Kinder waren und ihre Eltern die Entscheidung für sie getroffen haben. Deutlich wird auch, wie ihnen das Programm „Rucksack Schule“ geholfen hat, in einem Leben Fuß zu fassen, das sie sich nicht ausgesucht haben: Die Mütter haben Schulabschlüsse nachgeholt, eine Ausbildung oder ein Studium geschafft, ihren Kindern erfolgreiche Bildungswege geebnet.

Die Elternbegleiterinnen Rima Khalife und Amela Vukljevic (v.r.) mit Müttern aus ihrer Gruppe. | Foto: Beelte-Altwig

Wie viele Kinder in der Schule einen „Migrationshintergrund“ haben, wird ja oft als Indikator für das Ausmaß der Probleme angesehen. In der Grundschule Stammestraße in Hannover-Ricklingen, die ich für die Recherche besucht habe, sind das 220 von fast 300 Schülerinnen und Schülern. Wenig gesprochen wurde in letzter Zeit von den Ressourcen, die sich hinter so einer Zahl verbergen. Elternbegleiterin Rima Khalife erzählt sehr lustige Geschichten darüber, wie sie für Bekannte bei der Polizei oder beim Arzt gedolmetscht hat. Irgendwann stellten die Polizisten und die Ärztin verblüfft fest, dass Khalife gar nicht die gleiche Sprache spricht wie die Freundin oder die Nachbarn, für die sie übersetzt. So ähnlich klappt bei „Rucksack Schule“ auch die Verständigung mit Eltern, die ohne Deutschkenntnisse an die Schule kommen. „Wir Ausländer können das“, sagt Rima Khalife mit ganz feiner Ironie – und überlegt, dass es eigentlich ein Schulfach für diese kommunikative Kompetenz geben müsste.

Nachdem der Vorhang beim Jubiläumsfest von „Rucksack Schule“ gefallen war, strömten alle Elternbegleiterinnen auf die Bühne und feierten ihre Erfolge: im edlen Hijab oder im geschlitzten Rock mit kniehohen Stiefeln. Ich hoffe, dass ich Ihnen heute im Rundblick ein bisschen von dieser Stimmung mitgeben kann. Zu feiern gibt es heute auch sonst einiges:

  • Sie, liebe Rundblick-Leserinnen und -Leser, haben gewählt: Die VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo ist Niedersächsin des Jahres 2024.
  • Solaranlagen, Garagen und Gartenhäuser sollen einfacher als bisher genehmigt werden – und das Europaministerium bekommt eine neue Aufgabe.
  • Zum ersten Mal in mehr als sechzig Jahren Rundblick-Geschichte wurde ein Kollege von uns zum Vorsitzenden der Landespressekonferenz gewählt. Herzlichen Glückwunsch, Niklas Kleinwächter!

Jetzt hoffe ich, dass es bei Ihnen an diesem Mittwoch auch etwas zu feiern gibt. Ihnen fällt bestimmt etwas ein!

Ihre Anne Beelte-Altwig