Wir erklären dieses Jahr zur Chefsache!

Was macht das mit Ihnen? Fühlen Sie sich jetzt besonders sicher, geborgen, in guten Händen? Oder beschleicht Sie vielleicht doch das ungute Gefühl, das man mir beigebracht hat, wann immer von einer Chefarztbehandlung gesprochen wird? Der steht zwar in der Hierarchie weit oben, ist lange im Dienst und kennt sich deshalb gut aus. Aber mit dem operativen Geschäft hat der doch schon lange nichts mehr zu tun. Fehler sind da vorprogrammiert.

Are you the boss? | Foto: assalve via Getty Images

Zum politischen Geschäft gehört es, immer und immer wieder einzelne Themen zur Chefsache zu erklären. Kürzlich forderten beispielsweise in seltenem Gleichklang die GEW und der Philologenverband, der Lehrermangel in Niedersachsen müsse Chefsache werden. Die IHKN forderte jüngst außerdem, die Clearingstelle zum Bürokratieabbau müsse zur Chefsache erklärt werden. Dasselbe wünscht man sich dort auch bezüglich der Verwaltungsdigitalisierung. Oppositionschef Sebastian Lechner sieht das ähnlich: Im NWZ-Interview forderte er zwischen den Jahren, die Digitalisierung der Behörden müsse Chefsache werden. Bei der Gelegenheit würde er zudem das Europaministerium abschaffen und damit auch diese Zuständigkeit wieder beim Regierungschef direkt ansiedeln.

Dabei fällt auf: Selten ist es der Chef selbst, der von der Chefsache spricht. Ich saß zwar nicht dabei, aber ich glaube kaum, dass Stephan Weil selbst den Wolf wortwörtlich zur Chefsache erklärt hat. Das wirkt dann vielleicht doch zu bossy und demotiviert das Team. Häufig sind es eher politische Akteure mit einer gewissen Distanz zum Chefsessel, die sich wünschen, der Mensch in dem Möbelstück mit der hohen Rückenlehne möge die volle Verantwortung für ein Anliegen übernehmen. Die Hoffnung ist dabei vermutlich zweigeteilt: Entweder wird das Problem endlich gelöst. Oder man kann zumindest eindeutig den Verantwortlichen des Scheiterns benennen.

Wenn man sich selbst zum Chef erklärt, indem man sich eine Chefsache aufbürdet, muss man schon eine gute Portion Selbstvertrauen haben, wenn nicht gar Chuzpe. In der Politik findet man das seltener. Mechaniker der Macht wissen, dass es immer gut ist, eine andere Person zwischen sich und das Problem zu bringen. Im Pop-Business sieht das aber anders aus. Dort hat Stefan Raab den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest (ESC) zur Chefsache erklärt und zusammen mit NDR und RTL ein Format entwickelt, bei dem die Fäden alle in seinem Chefsessel zusammenlaufen. Entweder wird das Problem damit nun also endlich gelöst – oder Raab wird bei der nächsten Wahl so richtig abgestraft. Ach nee…

Unsere Themen in der Übersicht:

  • Loccum: Beim politischen Jahresauftakt im Kloster Loccum haben MP Stephan Weil und Landesbischof Ralf Meister zu Zuversicht aufgerufen.
  • IHK: Beim Neujahrsauftakt der Industrie- und Handelskammer wünscht sich IHK-Präsident Oppermann Lust auf Investitionen von der Politik.
  • Zensus: Warum die Zensus‑Zahlen bei manchen Bürgermeistern die pure Panik auslösen.

Machen Sie diesen Dienstag zu Ihrer Chefsache!
Ihr Niklas Kleinwächter