Kürzlich hat mir ein lieber Kollege den Kosenamen Krawatten-Kleinwächter gegeben. Grund ist mein unterjähriger guter Vorsatz, dem Schlips zu neuem Ruhm zu verhelfen.

Auch ohne Krawatte kann es einem an den Kragen gehen. | Foto: Walmor Santos via Getty Images

Dass ich seit ein paar Monaten mehr oder weniger regelmäßig mit Krawatte zur Arbeit erscheine, sorgte derweil bei vielen für Irritation. Mein Chef äußerte wiederholt die Sorge vor heimlichen Bewerbungsgesprächen. Und sogar Regierungssprecherin Anke Pörksen flachste schon ob meines neuen Kleidungsstils herum.

Ja, auf die Garderobe reduziert zu werden, ist kein reines Frauenproblem mehr – auch wenn die ähnliche Kleiderwahl (schwarzes Top, rosa Blazer) von Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne), AfD-Sozialpolitikerin Vanessa Behrendt und CDU-Tourismuspolitikerin Melanie Reinecke auf der rein männlich besetzten Pressetribüne am Mittwoch für Getuschel sorgte.

SPOTTED: Ein auffälliger Fall von Pink im Parlament. | Foto: Kleinwächter

Aber zurück zur Krawatten-Frage: Obwohl ich mich zwischenzeitlich fast wie Don Quijote im Kampf gegen die freiliegenden Hälse fühlte, war ich dann doch etwas beruhigter, als sich vor ein paar Wochen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mit mir solidarisierte und sich als konservativer Krawattenträger outete. Er tat dies neben mir sitzend auf dem Podium der LPK, Gerald Heere machte auch gleich mit. Die Krawatten-Allianz steht!

Doch allzu stabil ist sie nicht. Wiederholt wurde Weil auch schon ohne Schlips und Kragen gesichtet – sogar im Parlament. Dort darf es bekanntlich auch schon mal ein Rollkragenpullover sein. Vom Turnschuhminister bis zum Ende des Krawattenzwangs für Bundestagsschriftführer dauerte es nur ein Vierteljahrhundert. Zehn Jahre später hat der Schlips auch auf der Regierungsbank ausgedient.

Es bleibt jedoch nicht nur eine Stilfrage – es geht auch um die Wirtschaft, stupid! Durch ein solches Verhalten der politischen Elite, liebe Leserinnen und Leser, geht die Krawattenindustrie nämlich zu Grunde!

Dass das nicht nur ein gefühlter Untergang ist, verriet neulich die Wirtschaftsseite einer niedersächsischen Tageszeitung: Der Krawatte geht es an den Kragen. Importe brechen um zwei Drittel ein. Trend zum Homeoffice trifft die Branche:

Gut gekleidet, sogar im Homeoffice. | Foto: pixelfit via Getty Images

Dabei sind Krawatten doch auch in Zeiten von Videokonferenzen ein unverzichtbares Tool, um zumindest oberhalb der Tischkante Seriosität auszustrahlen. Für immer mehr Landtagsabgeordnete wird das ein Thema, schließlich wechselt eine wachsende Zahl von Parlamentariern in die Sitzungsteilnahme via ViKo. Das aber ist ein anderes Thema…



An den Kragen geht es nun der vermeintlich unlauteren Beförderungspolitik der Staatskanzlei. Zumindest die erste Beratung des PUA-Antrags der CDU wurde am Mittwoch durchgeführt. Die Koalitionsfraktionen wollten kurzen Prozess machen und sofort in medias res gehen. Doch die CDU gönnt Rot-Grün diese lässige Abkürzung nicht und zieht den Knoten stattdessen noch etwas enger.

Neben den neusten Entwicklungen in der Büroleiter-Affäre lesen Sie heute diese Themen bei uns:

• Hochschulvertrag: Nach der feierlichen Unterzeichnung am Dienstag war der Hochschulentwicklungsvertrag am Mittwoch auch Thema im Parlament. Rot-Grün bejubelte das Regierungshandeln, während die CDU auf die parlamentarische Beteiligung wartet.

• Fabrik der Zukunft: Große Unternehmen tun sich nicht so schwer damit, ihre Produktionsstätten ins digitale Zeitalter zu überführen. Kleine und mittlere Betriebe haben damit allerdings größere Schwierigkeiten.

Kommen Sie gut angezogen durch den Donnerstag!
Ihr Niklas Kleinwächter