Studenten sauer: Wichtige Aspekte fehlen im neuen Hochschulgesetz
Es ist bereits das vierte Semester unter Corona Bedingungen, die psychische und finanzielle Belastung für Studenten wächst. 50 Prozent von ihnen fühlen sich schlecht, wenn sie an das Studium denken. Das ist eines der Ergebnisse einer Umfrage des „Freien Zusammenschlusses von Studentenschaften“ (FZS), der rund 7600 Studierende aus ganz Deutschland befragt hat. Eine der größten Herausforderungen sei es, einen ruhigen Arbeitsplatz zu finden, hinzu kämen Qualitätseinbußen bei der Online-Lehre und chaotische Prüfungsphasen. „Wir erwarten konkretere und einheitlichere Regulierungen. In den Corona-Verordnungen werden Hochschulen bisher oft ausgespart“, sagte FZS-Vorstandsmitglied Daryoush Danaii. Mit der Hochschulgesetznovelle fühlen sich FZS und Landes-Asten-Konferenz (LAK) nun einmal mehr übergangen. „Keine unserer Forderungen hat es ins Gesetz geschafft“, bemängelte gestern LAK-Koordinatorin Pippa Schneider.
Stattdessen stehen nun einige Punkte im Entwurf, die den Forderungen der Studierenden sogar zuwiderlaufen. So hatten die Studenten unter anderem gefordert, die Mitbestimmungsstruktur von Studenten zu stärken und in dem Zuge einen studentischen Vizepräsidenten einzuführen. Stattdessen soll nun das Pendant – das Amt des Vizepräsidenten für Studium und Lehre – nicht mehr verpflichtend für Universitäten sein. Dabei sei er im Präsidium der Ansprechpartner für Studenten und stelle die Qualität der Lehre sicher, sagte Schneider. Als weitere Kritikpunkte hob sie hervor:
Erprobungs- oder Exzellenzklausel
Universitäten können neue Modelle erproben und auch geltende Festlegungen wie die Dauer von Regelstudienzeiten oder auch die Zusammensetzung von einzelnen Gremien wie dem Präsidium verändern. Voraussetzung ist die vorherige Verleihung des Titels „Exzellenzuniversität“. Dadurch komme es zu einer Verschiebung der Entscheidungsmacht zugunsten des Präsidiums, so Schneider. „Das wäre so, wie wenn wir unsere Klausuren schreiben und dann auch später korrigieren.“
Genieklausel
Auch ohne Auswahlverfahren kann die Universität zukünftig Professorenstellen vergeben. Das käme unter anderem bei renommierten Wissenschaftlern zum Einsatz, die so unbürokratisch schnell in den Hochschuldienst berufen werden könnten. Ein Schritt in Richtung mehr Innovation? Schneider verneint. „Die Genieklausel hebelt ein etabliertes Verfahren aus.“ Ihre Befürchtung: Der „ohnehin schon niedrige Frauenanteil“ nimmt so ab, da Frauen statistisch gesehen seltener mit wissenschaftlichen Auszeichnungen bedacht werden würden.
Mehr Autonomie
An sich befürworte die LAK mehr Autonomie für Hochschulen, allerdings gehe diese leider mit der Kürzung von Geldern einher. „Wir sehen so die Gefahr, dass die Hochschulen mit den Kürzungen alleine gelassen werden und sich die Landesregierung aus der Verantwortung schleicht“, sagte Schneider.
Studienorientierungsverfahren
Zusatzkurse oder Vorkurse könnten zukünftig verpflichtend für Studenten werden. Das bedeutet nicht nur eine potentielle Mehrbelastung, wenn Kurse zusätzlich zum Kerncurriculum belegt werden müssen. Zeitgleich würden die Kurse dann nicht durch entsprechende Credit Points vergütet werden.
Die Organisationen der Studenten haben weitergehende Forderungen, so die Abschaffung von Langzeitstudiengebühren, die es bereits in einigen Bundesländern nicht mehr gibt. Denkbar sei etwa eine Webcam-Pflicht, die es Studenten ermöglichen kann, Vorlesungen später anzuschauen. „Wir wollen die Datenschutzverordnung mit Studierenden zusammen entwickeln“, sagt Danaii. Außerdem soll eine Zivilklausel eingeführt werden nach der es Hochschulen in Niedersachsen untersagt wird im militärischen Bereich zu forschen.
Heute findet noch eine Demonstration vor dem Landtag statt. Sonderlich groß dürfte der Andrang an Studenten allerdings nicht ausfallen, gibt Danaii zu. „Wir sind wohl so 30 bis 50 Studierende. Das ist schwierig einzuschätzen, weil gerade ja Prüfungsphase ist.“ Aufhalten lässt sich die Hochschulgesetznovelle vermutlich ohnehin nicht. Bereits im Vorfeld ist absehbar, dass die große Koalition an ihrem Entwurf festhalten wird und auch Änderungen eher unwahrscheinlich sind. Die Grünen positionierten sich hingegen klar gegen die Novelle und bezeichneten ihn in einem gestrigen Statement als mangelhaft. „Anstatt auf die Belange der Studierenden und Hochschulen einzugehen, bedeutet die Gesetzesnovelle eine Rückkehr in überholte autoritäre Strukturen. Die Präsidien erhalten noch mehr Befugnisse und Handlungsspielräume. Das gefährdet die innere Demokratie der Hochschulen“, so die hochschulpolitische Sprecherin Eva Viehoff. Das Gesetz verbessere weder die finanzielle Ausstattung der Hochschulen noch biete es eine Perspektive bei der Fachkräftesicherung.
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