Volksbegehren: Lies greift die Grünen an
Im Streit um den Artenschutz sind in der Plenarsitzung des Landtags starke Spannungen zwischen Sozialdemokraten und Grünen unübersehbar geworden. Dabei ging es um den Vergleich der Umweltpolitik in der Regierungszeit von Rot-Grün (2013 bis 2017) zu der Arbeit der gegenwärtigen rot-schwarzen Landesregierung (seit 2017). Streitpunkt ist der sogenannte „niedersächsische Weg“, eine Verständigung zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden und der Regierung auf Reformen des Wasser-, Naturschutz- und Waldgesetzes zum Ziel von mehr Arten- und Naturschutz.
Diese Verständigung ist vor wenigen Wochen getroffen worden, erkennbar mit dem Ziel, ein zur gleichen Zeit angelaufenes Volksbegehren, das von Umweltgruppen und den Grünen getragen wird, entbehrlich zu machen. Im Landtag verteidigen SPD und CDU vehement diesen „niedersächsischen Weg“, die Grünen halten ihn für einen untauglichen Versuch, der Kraft des angelaufenen Volksbegehrens den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dabei zeige das Beispiel Bayern, welche Wirkmächtigkeit ein solches Plebiszit haben kann.
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In der Aussprache meinte zunächst SPD-Fraktionsvize Marcus Bosse, die Verständigung zwischen Umweltminister Olaf Lies (SPD) und Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) sei beispielhaft. „Als beide Ministerien noch von Grünen-Politikern geführt wurden, haben sie das in viereinhalb Jahren Amtszeit nicht einmal ansatzweise geschafft.“ Zu rot-grünen Zeiten, meinte Bosse, habe die SPD mehrfach versucht, Änderungen beim Wasser- und Naturschutzgesetz in Gang bringen wollen. Es sei aber nicht gelungen. Dabei sei das, was jetzt zwischen SPD und CDU vereinbart wurde, im Wesentlichen schon damals von der SPD beabsichtigt gewesen.
Wenig später entgegnete der Grünen-Politiker Christian Meyer, seinerzeit Agrarminister, dass Bosse „Geschichtsklitterung“ betreibe. Tatsächlich sei zu rot-grünen Zeiten deshalb keine Reform der Naturschutzgesetze vorangekommen, weil Lies seinerzeit als Wirtschaftsminister den Plan „blockiert“ habe: Lies habe intern signalisiert, ein Gewässerrandstreifen (der frei von Düngung und Insektiziden bleiben muss) dürfe bei ihm „maximal ein Meter breit“ sein. Das aber hätten die Grünen nicht akzeptiert und die SPD-Landtagsfraktion habe in der Folge die Überlegungen gestoppt. „Jetzt sagt der ,niedersächsische Weg‘ drei Meter, das Volksbegehren aber weiter und sehr viel konkreter“, fügte Meyer hinzu. Kurze Zeit darauf ging dann Lies auf den Vorwurf ein, er habe damals als Wirtschaftsminister den Artenschutz aufgehalten. Zu Meyer gewandt, sagte Lies: „Ich nehme meine Verantwortung als Ressortminister wahr. Das ist das, was ihnen in der vergangenen Legislaturperiode nicht gelungen war.“
Viel Kritik am Vorgehen des Nabu
Die von der SPD beantragte „aktuelle Stunde“ diente vor allem dazu, die Verwunderung über den Naturschutzbund Nabu auszudrücken, da dieser sowohl den „niedersächsischen Weg“ unterschrieben hat, als auch das Volksbegehren weiter unterstützt. Bosse sagte, er sei „enttäuscht“ vom Nabu-Landesvorsitzenden Holger Buschmann. Hermann Grupe (FDP) hielt dem Nabu ein „falsches Spiel“ vor und meinte, Lies habe ein „Kuckucksei“ in seinem Nest gefunden, denn die Fortsetzung des Volksbegehrens trotz der Verständigung auf den „niedersächsischen Weg“ gefährde die Bereitschaft der Landwirte, sich am Kompromiss zu beteiligen. Viele Einschnitte, die im „niedersächsischen Weg“ vereinbart seien, bedeuteten für die Bauern Einkommensverluste – und die müssten unbedingt ausgeglichen werden.
Stefan Wirtz (AfD) mutmaßte, die Regierung habe dem Nabu „nicht genug geboten“, weshalb dieser aus der geplanten Linie ausschere und weiter für das Volksbegehren mobilisiere. Helmut Dammann-Tamke (CDU) rügte, viele der 130 Organisationen, die für das Volksbegehren aktiv sind, seien an den inhaltlichen Planungen gar nicht ausreichend beteiligt worden. Hier sei der Verdacht berechtigt, sie würden „politisch instrumentalisiert“ für die Grünen. Lies erklärte, dass ihm der Nabu-Vorsitzende Buschmann versichert habe, sein Verband werde sich bei einem Erfolg des „niedersächsischen Weges“, der sich in konkreten Gesetzen bis zum Herbst zeigen müsse, vom Volksbegehren zurückziehen. Lies sprach auch von „jährlich 100 Millionen Euro“, die zur Unterstützung des Planes – etwa als Ausgleichsbeträge an die Bauern – fließen werden.