Streit um den Bückeberg: AfD lehnt Gedenkstätte am früheren NS-Tatort ab
Die bisher nur regional im Kreis Hameln-Pyrmont und in der Gemeinde Emmerthal gärende Debatte über die Frage, wie eine NS-Gedenkstätte auf dem Bückeberg gestaltet werden soll, wird jetzt verstärkt auf die landespolitische Bühne getragen. Drei AfD-Landtagsabgeordnete haben gestern Abend eine Ortsbesichtigung organisiert und sich hinterher mit Vertretern einer Bürgerinitiative getroffen.
In der Gemeinde Emmerthal gibt es eine engagierte Gruppierung von Bürgern, die einen vom Kreistag beschlossenen Lern- und Gedenkort ablehnen und allenfalls zwei bescheidene Gedenktafeln akzeptieren will. Bisher gibt es dort gar keine Hinweise. Sie hoffen auf eine versprochene Bürgerbefragung in der Region, die zugesagt, aber noch nicht terminiert ist. Für Unruhe sorgen wenige Tage alte Hinweise aus Berlin, dass die Bundesregierung das Projekt mit 725.000 Euro unterstützen wolle – wo doch die Kosten bisher nur mit 450.000 Euro angegeben worden seien. „Immer wieder wird scheibchenweise Geld draufgelegt, das Vorhaben wird Zug um Zug größer. Das ist unseriös und widerspricht dem Bürgerwillen“, sagt Timo Schriegel, der für die Bürgerinitiative spricht. „Es fehlt die Transparenz der Planung.“
2000 Unterschriften habe man gegen den Plan zusammengetragen, einen Rundwanderweg anzulegen und acht Informationsboxen zu bauen. Wie Karl-Otto Gericke von der Bürgerinitiative ergänzt, hätten sich Landrat Tjark Bartels und Jens-Christian Wagner von der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten über Vorbehalte und Bedenken aus Emmerthal stets hinweggesetzt und stur ihre Absichten verfolgt. „Wenn das so ist, brauchen wir dann überhaupt die kommunale Selbstverwaltung noch?“, fragt Ernst Nitschke, Emmerthaler Ratsmitglied von der Freien Wählergemeinschaft. Die AfD-Landtagsabgeordneten Christopher Emden, Harm Rykena und Stefan Wirtz signalisierten, dass sie die Anliegen der Bürgerinitiative folgen wollen. „Zwei Informationstafeln reichen“, sagt Emden. Die 725.000 Euro, die nun im Gespräch sind, umfassen nun auch einen Parkplatz und Toiletten.
Auf dem Bückeberg hatten die Nazis zwischen 1933 und 1937 alljährlich „Reichserntedankfeste“ gefeiert. Dazu wurden bis zu eine Million Menschen in den kleinen Ort nahe Hameln gebracht, auf einer hohen Tribüne sprach Adolf Hitler. Der Historiker Bernhard Gelderblom, der seit 20 Jahren die regionale Geschichte erforscht, schildert die besondere Bedeutung dieses Hügels – „die Masse sieht sich dort selbst“. Diese idealen topografischen Gegebenheiten, die Albert Speer erkannt und genutzt habe, steigerten hier während der Reden von Hitler noch die Begeisterung. Gelderblom war auch derjenige, der schon vor Jahren für eine angemessene Gedenkstätte stritt, im Kreis Hameln-Pyrmont auf hohes Interesse stieß, in der Gemeinde Emmerthal aber „stets auf Widerstände“. „Ich weiß nicht, warum es für die Emmerthaler so schwierig ist, sich zur Geschichte dieses Ortes zu bekennen“, sagt er jetzt bei einem erstmaligen Auftritt in der Bürgerversammlung des Ortes. An die etwa 30 Teilnehmer gerichtet, die ganz überwiegend zu den Gegnern des Projektes zählen, meint Gelderblom: „Sie müssen sich doch für den Bückeberg nicht schämen.“
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In der mehr als zweistündigen, von den AfD-Landtagsabgeordneten moderierten Veranstaltung wurde Gelderblom mit vielen Fragen und Vorbehalten konfrontiert. Eine Gedenkstätte könne für NS-Anhänger doch „ein Wallfahrtsort werden“, meint einer, der Verständnis hat, dass nach dem Krieg die Tribüne an der Bergspitze sogar bepflanzt wurde, damit sie vom Grün verdeckt und unsichtbar wird. „Einen Wallfahrtsort kann man am besten unschädlich machen, wenn man ihn kenntlich macht“, entgegnet Gelderblom.
Der AfD-Landtagsabgeordnete Wirtz meint, am Bückeberg „verselbständigt sich die Erinnerungskultur“, obwohl der Ort doch „höchst unspektakulär“ erscheine. „Ein künstlich von den Nazis geschaffenes Ritual soll jetzt wiederbelebt werden.“ Die AfD-Vertreterin im Gemeinderat, Delia Klages, vergleicht die Planungen mit Menschen, die an einem Waschzwang leiden: „Sie meinen ständig, sich die Hände reinigen zu wollen – doch dabei schädigen sie ihre Haut.“
Klages meint, in Deutschland gebe es „keinen Mangel an Erinnerungsorten“, und sie selbst wie auch ihre Eltern und Kinder hätten sich „nicht schuldig gemacht“. Hier würden „die Menschen unter Dauerschuld gestellt“. Eine Mutter, Mitte 40, sagt unter Applaus: „Wir werden zugeschüttet mit Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, das ist emotionale Erpressung“. Daraufhin entgegnet Gelderblom: „Keiner auf dem Bückeberg hat sich persönlich schuldig gemacht. Aber Schuld müssen wir bewusst verarbeiten – auch in Emmerthal.“