Der Bund der Steuerzahler (BdSt) in Niedersachsen und Bremen beklagt sich über das mangelhafte Engagement der Politiker beim Thema Steuerreform. „Der sogenannte Mittelstandsbauch ist ein großes Problem, das bereinigt werden muss. Leider geschieht aber nichts“, sagte der BdSt-Landesvorsitzende Bernhard Zentgraf am Dienstag.

Der steile Anstieg des Steuersatzes schon in einem relativ niedrigen Bereich der Jahresverdienste führe zu abschreckenden Effekten, die für den Arbeitsmarkt nicht sinnvoll seien. „Wenn jemand überlegt, ob er von Teilzeit in Vollzeit wechseln will, sich dann aber ausrechnet, dass wegen der gestiegenen Steuersätze vom Bruttomehrverdienst nur wenig übrig bleibt, dann bremst das die Flexibilität“, sagt Zentgraf. Außerdem sei am Steuerrecht nachteilig, dass schon bei einem Jahreseinkommen von 54.000 Euro der Spitzensteuersatz von 42 Prozent fällig werde – „dabei sind 54.000 Euro kein außergewöhnlich hohes Einkommen“.

Der Steuerzahlerbund stellte am Dienstag das neue Schwarzbuch vor – Foto: MB.

Der BdSt stellt nach den Worten seines niedersächsischen Landesvorsitzenden außerdem ein „Missverhältnis“ fest: Wenn es um die Pflichten des Steuerzahlers gehe, sei der Staat sehr streng und resolut. Die andere Seite aber, das Ausgeben des Geldes, das der Staat vorher von den Bürgern eingenommen hat, werde längst nicht so rigoros beurteilt und überprüft.

11.000 Euro für Anhänger alias „Wolfskrankenwagen“

Der BdSt hat das anhand von mehreren Beispielen in seinem diesjährigen „Schwarzbuch“ aufgelistet, darunter sind auch Fälle aus Niedersachsen und Bremen. In Emden wurde der Deich erhöht, anschließend wurde entschieden, eine neue Durchfahrt für die Eisenbahn, einen sogenannten „Deichschart“ zu errichten. Der Hafenbetreiber N-Ports habe darauf bestanden. Seit der Fertigstellung dieser Durchfahrt für 823.000 Euro bleibe sie ungenutzt.

In Bremerhaven gelang es gewerbsmäßigen Betrügern zwischen 2013 und 2016, mit fingierten Arbeitsverträgen Aufstocker-Leistungen in Höhe von 5,6 Millionen Euro zu ergattern. Es habe frühzeitig Hinweise an die Behörden gegeben, denen diese aber nicht nachgegangen seien. In der Region Hannover sei ein Spezialfahrzeug für den Transport verletzter Wölfe für 11.000 Euro angeschafft worden – einen bundesweit einmaligen „Wolfskrankenwagen“. Dieser sei aber in den vergangenen zwei Jahren nicht ein einziges Mal angefordert worden.

Gutachteritis in Peine

Ein Fall betrifft das Landesamt für Verbraucherschutz in Oldenburg, das an Tierärzte Aufwandsentschädigungen von fast 200.000 Euro ausgezahlt habe. Aus Vertrauensschutzgründen werde das Geld nicht zurückgefordert, die Verantwortlichen für die erhöhten Leistungen seien aber disziplinarrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen worden. In Bremen habe ein privater Jugendhilfeträger für die Flüchtlingsbetreuung Vorauszahlungen vom Land erhalten. Später habe er Insolvenz anmelden müssen, vier Millionen Euro blieben „beim Steuerzahler hängen“, klagt Zentgraf.

In Celle habe die Stadt am Neumarkt erst für 12.000 Euro einen Zebrastreifen angelegt, wegen der dann folgenden Staubildung diesen für 5700 inzwischen wieder abgefräst. Wenn die Stadt für den Umbau des Platzes Fördermittel bekommen wolle, müsse sie diesen nach BdSt-Einschätzung aber wieder anlegen. In Peine habe die Stadt für sieben Gutachten rund 150.000 Euro ausgegeben, die den Zweck hatten, die Frage nach Neubau oder Abriss einer Schimmelpilz-befallenen Holzbrücke zu prüfen. Die Gutachten seien eindeutig zugunsten des Abrisses ausgefallen.

Straßenbahnchaos in Hannover

In Negenborn (Kreis Holzminden) ist für 142.000 Euro eine Brücke für landwirtschaftlichen Verkehr gebaut worden, die aber für viele Erntemaschinen zu schmal ist. In Osnabrück drohe Verschwendung von 5000 Euro, wenn – wie geplant – die Stadt einen Restaurantführer für veganes und vegetarisches Essen bezuschussen sollte. In Hannover bemängelt der BdSt den oberirdischen Bau der Stadtbahnlinie C an der Kurt-Schumacher-Straße – obwohl unterirdisch eine Linie vorhanden war. Der Bau koste 55 statt wie geplant 47 Millionen Euro, und an verkehrsreichen Tagen müsse man doch auf die Tunnel-Variante ausweichen, da sonst ein Verkehrskollaps drohe.


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