In der Büroleiter-Affäre hatte der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) am Donnerstag den prominentesten Zeugen aufgeboten – Ministerpräsidenten Stephan Weil. Der Ausschuss prüft, ob es bei der Einstufung und Höhergruppierung der seit Februar 2023 für den Regierungschef tätigen Büroleiterin Aynur C. zu schwerwiegenden Fehlern oder gar Rechtsverstößen gekommen ist. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat ein Verfahren gegen Unbekannt wegen Untreue eingeleitet. In einer knapp fünfstündigen Befragung zeigt sich der Regierungschef betont gelassen und in Plauderlaune. Allerdings wird er mehr als einmal nervös und antwortet wortkarg, vor allem auf Befragungen der CDU-Abgeordneten Carina Hermann und Jens Nacke.

Hermann spricht er zweimal als „Frau Hermenau“ an. Der wirklich spannende Teil der PUA-Vernehmungen schließt sich aber am späteren Nachmittag an, als Weil schon gegangen war. Im Zeugenstand war die Personal-Sachbearbeiterin der Staatskanzlei, die mit der Einstellung von C. befasst war und dazu interessante Hinweise geben konnte.
Der Ministerpräsident wiederholt mehrfach, dass es ihm bei der Höherstufung von C. nicht um diese Personalie gegangen sei, sondern um eine allgemeine neue Verwaltungspraxis. C. sei nur Auslöser gewesen. „Quereinsteiger“, also Angestellte ohne lange Berufspraxis, sollten schnell in befristete Leitungspositionen des öffentlichen Dienstes kommen. Im engen Zusammenhang mit dem Fall C. wurde die bisherige Regel gelockert, sodass C. im November 2023 einen AT-Vertrag für B2 erhalten hatte. Die 33-Jährige bekam dann rückwirkend zum 1. August monatlich 8200 Euro statt bisher 6300 Euro. Weil räumt ein, dass es in der Staatskanzlei und im Finanzministerium Rechtsauffassungen gegeben habe, wonach diese Neuregelung falsch sei. Das sei nun mal so, dass die Anwender ein altes System gegen jene verteidigen, die ein neues einführen wollen. „Ich war aber froh, dass der Finanzminister und ich schnell den richtigen Weg gefunden haben.“

Das erste Mal wird die Atmosphäre angespannt, als Carina Hermann wissen will, welche Beträge Altersgenossen von C. mit einem vergleichbaren frischen Masterabschluss in der freien Wirtschaft verdienen könnten. Weil will erst darauf nur in vertraulicher Sitzung reagieren, später wiederholt Hermann im öffentlichen Teil ihre Information, dass die Beträge im Schnitt zwischen 3300 und 4400 Euro lägen – also weit unter C.s Verdienst. Als Hermann Weil vorhält, ihre Fragen nicht beantwortet zu haben, sagt der Ministerpräsident: „Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie zur Kenntnis nehmen würden, was ich sage.“
Laut Weil ist C.s Verdienst ja nur für die Dauer der aufreibenden Arbeit als Büroleiterin des Ministerpräsidenten befristet. Daraufhin erwidert der Ausschussvorsitzende Dirk Toepffer, nach aller Erfahrung seien die bisherigen Büroleiter des Ministerpräsidenten – bei Weil sind es fünf in elf Jahren – stets in höhere Stufen der Landesverwaltung und Politik aufgestiegen, kein einziger sei in der Besoldung wieder zurückgefallen. „Spätestens bei Regierungswechseln ändert sich das dann, aber wir hatten lange keine Regierungswechsel“, meint Weil. Daraufhin Toepffer: „Ich kann mich gut erinnern, dass vor Regierungswechseln immer erfolgreich versucht wird, diese Leute frühzeitig auf anderen sicheren Posten unterzubringen.“
Der Chef der Staatskanzlei, Jörg Mielke, steht schon seit Wochen im Fokus der PUA-Untersuchungen. Mielke hat die Höherstufung von C. gegen Bedenken im eigenen Haus durchgesetzt und sich in dieser Frage auch mit dem Finanzministerium angelegt. Mielke hatte am 14. November 2023 in einer Mail an seinen Abteilungsleiter erklärt, das Finanzministerium habe der rückwirkenden AT-Bezahlung von C. zum 1. August 2023 zugestimmt. Jens Nacke (CDU) sagt nun im Ausschuss, diese Zustimmung des Finanzministeriums habe es gar nicht gegeben – Mielke habe also seine Mitarbeiter vorgeführt. Weil entgegnet, Mielkes Einschätzung basiere „auf einer anderen Rechtsauffassung, und diese teile ich“.

Später konfrontiert Nacke Weil mit Hinweisen aus der Affäre des früheren Agrar-Staatssekretärs Udo Paschedag im Jahr 2014, der nach fragwürdigen Vermerken entlassen worden war. Nach Nackes Erinnerung sei es damals Mielke gewesen, der Paschedags merkwürdigen Vertrag als einziger gekannt habe und auch gegen interne Widerstände durchgesetzt habe. Nun sei wieder es allein Mielke gewesen, der bei der Kabinettsentscheidung zu C.s Höherstufung über die Rückwirkung zum 1. August Bescheid wusste, Weil selbst sei offenbar nicht eingebunden gewesen. „Wieder wird nun auf Mielkes Veranlassung rückwirkend viel Geld ausgegeben, ohne dass von den Kabinettsmitgliedern jemand etwas davon wusste. Wieso entlassen Sie Herrn Mielke eigentlich nicht?“ Weil antwortet, die Paschedag-Affäre liege viele Jahre zurück und er könne nicht erkennen, wo Nacke hier Parallelen sehen wolle.
Wiard Siebels (SPD) und Volker Bajus (Grüne) erkundigen sich nach den Abläufen von C.s Einstellung und erfahren, dass der Ministerpräsident selbst die neue Büroleiterin zwar vorgeschlagen habe, mit den Details der Einstellung aber nicht befasst gewesen sei. Der Ausschussvorsitzende Dirk Toepffer (CDU) fragt dann, wofür der Ministerpräsident in dieser Sache eigentlich die Verantwortung trage. Weil antwortet, seine politische Verantwortung sei umfassend, sie beziehe sich in dem konkreten Fall auch auf die schnelle Kabinettsbefassung und den schnellen Vertragsabschluss für C. „Das muss ich mit nach Hause nehmen. Ich sage es nicht gern, aber es ist so.“ Was die Rückwirkung von C.s Vertrag angeht, so sei dies „ohne mich entschieden worden“, aber er trage auch diese Entscheidung mit.

Als Weils Vernehmung beendet ist, bedankt er sich für die „faire Befragung“ und meint, seine Antworten seien „im Wesentlichen unspektakulär“ gewesen. Der Ausschuss befragt dann noch die Personalreferentin in der Staatskanzlei, die mit der Einstellung von C. und später auch mit ihrem neuen Vertrag zu ihrer AT-Besoldung befasst war. Sie hatte einige überraschende Informationen parat: So wurde im Dezember 2022, als C.s erster Vertrag formuliert wurde, kein Vermerk über die von der Referentin und ihrer Chefin entschiedene Eingruppierung angefertigt. Ein „Schmierzettel“ mit Hinweisen sei von ihr „in den Reißwolf oder den Papierkorb“ geworfen worden. Das habe an dem Zeitdruck gelegen, denn in der Weihnachtszeit habe das mit Wirkung zum 1. Februar 2023 fertiggestellt werden müssen.
Die CDU-Vertreter wollen dann wissen, warum C. mit E15 in der Erfahrungsstufe IV eingruppiert wurde – obwohl sie doch vorher in Hamburg E14 und IV gehabt habe. „Dann müsste bei der Höhergruppierung doch mindestens eine Erfahrungsstufe niedriger angesetzt werden“, sagt Toepffer. Die Referentin erklärt, die Hamburger Einstufung nicht noch einmal überprüft zu haben. Man habe auch bei der Übertragung der Erfahrungsstufe nicht untersucht, ob die Tätigkeiten gleichwertig sind – ein Schritt, zu dem das Land nach Rechtsauffassung der CDU verpflichtet gewesen wäre.
Heftiger Streit um die Zeugin
SPD-Sprecher Wiard Siebels hält der CDU vor, sie zeige „schlechtesten Stil und einen Tiefpunkt im parlamentarischen Umgang“, wenn jetzt schon Referenten aus der Staatskanzlei als Zeugen geladen werden. Die SPD stelle sich „schützend vor die Landesbediensteten“. Toepffer weist das vehement zurück: „Hochrangige Zeugen haben hier ausgesagt, sie könnten zu der Einstufung nichts sagen, weil das untere Ebenen allein entschieden haben. Wenn das so ist, dann müssen wir eben auch in den unteren Ebenen nachfragen.“
